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Künstler*innen

Binu Bhaskar: Cosmopolitan, 2011

Binu Bhaskar

Binu Bhaskars Bilder stellen die Entwicklung der indischen Lebensweise auf eine drastische und ernüchternde Art dar. Seine Drucke erzählen vom Verschwinden des Bauern, des Landarbeiters, der zum Bauarbeiter für Hochhäuser wird, weil die expandierende Stadt das von ihm bestellte Feld oder den von ihm betriebenen Bauernhof verschluckt hat. Die Werke tragen den Titel «Unknown Portraits» (2011), denn sie zeigen zwar Menschen, doch ihre Gesichter sind kaum zu erkennen. Sie sind nur schemenhaft und verschwommen dargestellt, als hätte der Künstler ihre Gesichtszüge vom Papier geschabt.

Der Landarbeiter hat nach dem Verlust seines Hofes nichts anderes mehr als den Wert seiner Arbeit und seines Körpers und nimmt daher nur einen unwesentlichen Teil im Vordergrund des Bildes ein. Er wird gesichts-, identitäts- und mittellos, Herr Egal auf einem «Unknown Portrait», ein Jedermann. Nicht nur sein Gesicht bleicht aus, seine Persönlichkeit verblasst, selbst das ihm bekannte Umfeld schwindet, Erinnerungen verklingen. Seine Frau baut unter gleißender Sonne Straßen für Jene aus der Mittelklasse, die sich hier ein Appartement leisten können. Ist das Hochhaus bezugsfertig, bleiben beide vor Ort, nicht, um jemals darin zu wohnen – sie leben auf dem Bürgersteig unterhalb des Gebäudes und verdingen sich bei den Hausbewohnern als Dienstmädchen, Kinderaufsicht, Hausdiener, Koch, Straßenkehrer, für immer gefangen in dieser Rolle.

Diese Abbildungen zeigen, wie die indische Kultur und ihre Traditionen durch die rasant fortschreitende Urbanisierung immer weiter in den Hintergrund gedrängt werden. Dass tausende Menschen aus indischen Landregionen, die durch den Anbau von Reis und anderen Lebensmitteln meist gerade so überleben können, in die Städte ziehen, hat oft den Verlust ihrer Individualität zur Folge. Bhaskar zeigt das Schicksal dieser Bauern und ihrer Familien, die in den ohnehin schon überfüllten Städten einen Quadratmeter Platz zum Leben und Atmen suchen, dabei jedoch ihre Identität und Kultur verlieren. Ihre Arbeit wird vom Feld auf die Baustellen riesiger Hochhäuser verlegt. «Unknown Portrait 5» zeigt einen dieser ehemaligen Bauern. Hinter ihm dringt die bedrückende Kulisse der Stadt in seinen Lebensraum ein. Sie ist der Strick, der sich mit jedem Tag fester um seinen Hals zieht.

Bezeichnend für Bhaskars Darstellung ist auch die Tatsache, dass er den Häusern der Städte im Hintergrund mehr Detailtreue Zuteilwerden lässt als den Menschen in seinen Bildern. Sie verlieren durch die Anonymität der Menschenmasse in den Großstädten ihr Gesicht und erscheinen wie das sprichwörtliche Sandkorn in der Wüste. 

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