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  • Galerie und Kulturzentrum in Weimar
  • So–Do 12–18, Fr–Sa 12–20
  • +49 3643 851261

Atelierprogramm

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Die Subversion des Stillstands

12. Internationales Atelierprogramm der ACC Galerie Weimar und der Stadt Weimar

Beteiligte Künstler*innen

Bedeutet Stillstand Rückschritt? Gesellschaftliche Phänomene wie die von Konjunkturrittern, Wirtschaftsplanern, Zukunftsforschern und Wachstumsprofiteuren gefürchtete Stagnation führen bei Anderen eher zur Entlastung von den Zumutungen des Lebens: Entschleunigung, Innehalten, Zögern und Zaudern verweigern sich dem Diktat des «Schneller, Höher, Weiter». Claudia Hardi gestaltet und bearbeitet, sich als «Forschungsreisende durch elektronische Archive» navigierend, digitale Datenbanken. Inspiriert von Matt Ruffs Comic- und Sci-Fi-PostcyberpunkromanSewer, Gas & Electric – The Public Works Trilogy(1997) initiierte sie ihr zweites privates Lexikonprojekt G. A. S.(2006), eine von Neugier an kulturellen Referenzen, 

Entdecker geist und Erzählräumen statt «korrekter» Geschichtsschreibung geprägte Datenbank. Sie vertieft jene prosaische Gesellschaftsparodie und vernetzt die authentischen Personen (Lincoln, Disney, Hoover etc.), auf denen das Romanpersonal basiert. Gäste durften ihr im Netz und an einer Magnetwand Bilder und Texte einspeisen, sie zu- oder umordnen, aber keine Inhalte löschen. Hardis Weblog 1066 & all that(seit 2004, www.malloryneelyhouse.net/1066, unter Pseudonym F. Sigorski) mit Filmbildern, Notizen und allem von Hardi Gelesenen konnte als Raum voller Weblog-Einträge Let’s Rock (The Remedy)(2007) kommentiert werden – oder man bastelte tolle Papier-Sneakers. In The Weimar Conspiracy (2007) spielte Lene Berg mit Konzepten von Geschichte und Tourismus, mit dem kollektiven Gedächtnis. Trotz touristischer Kameraperspektive war die unsichtbare Erzählfigur des Films nicht in der Lage, Weimars Vergangenheit, Orte und Denkmale zu verstehen, «entschlüsseln» und interpretieren, denn ihr fehlte europäisches Hintergrundwissen. Wie hätte Friedrich Nietzsches Lachen ausgesehen, wie hätte es sich angehört, in welcher Beziehung steht es zu seinen Schriften übers Lachen? Berg selbst gab die Antwort in der Animation Sketches of «Nietzsche’s Laughter» (2007). Gentlemen & Arseholes (2006) war der Nachdruck der ersten Ausgabe des Kulturmagazins Encounter (1953), das Berg durch zusätzliches, zwischen die Originalseiten eingelegtes, deren Deutung des Congress for Cultural Freedom (1950 – 67) möglicherweise beeinträchtigendes Material ergänzte. Patrick Wards Fotoserie Unidentified Backgrounds (2004) zeigte anonyme, romantische Landschaften mit ungewöhnlich weiten Himmeln. Ein genauerer Blick machte Störungen im grobkörnigen Druckbild erkennbar, die eine Manipulation jener Hintergründe nahe legten – die Entfernung vermeintlicher UFOs aus angeblichen UFO-Snapshots? Wards Audio-ArbeitLast Scene (ein Wortspiel mit «last seen», 2004) speiste sich aus Tonfootage in Spielfilmen gefundener Charaktere (Filmstimmen), die einander suchten, wenn auch die Suche generell nutzlos war, weil die suchende Person selbst gewaltsam in den Tod gerissen wurde oder vor der Erfahrung des Todes des Gesuchten stand. Das einzelne, gesprochene Wort (der Name des Gesuchten) machte eine unbestimmte Dauer der Stille physisch erfahrbar. Das Video In Order of Appearance(2007) fasste Abspanntexte im TVausgestrahlter und aufgezeichneter Filme zusammen, die, wenn sie überspielt wurden, in ihren Überlagerungsbereichen durch die Imperfektion analoger VHS-Technik (es waren keine klaren Schnitte möglich) ein deformiertes, sich auflösendes, körnig-rauschendes, «verschneites» Bildschirmbild erzeugten.

Das Programm basierte auf Idee und Konzept der Tagung «Stehende Gewässer: Medien und Zeitlichkeiten der Stagnation» des Graduiertenkollegs «Mediale Historiographien» der Bauhaus-Universität Weimar, der Universität Erfurt und der Friedrich-Schiller-Universität Jena (gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft). Jean-Baptiste Joly (Stuttgart), Dr. Helga Lutz (Erfurt), Dr. Susanne Meyer-Büser (München), Reneé Ridgway (Amsterdam), Esther Schipper und Nina Wiedemeyer (beide Berlin) hatten als Juroren die Atelierstipendiaten ausgewählt.

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