zum Inhalt
  • Galerie und Kulturzentrum in Weimar
  • So–Do 12–18, Fr–Sa 12–20
  • +49 3643 851261

Atelierprogramm

Kunstfehler_Chris Johanson

Kunstfehler - Fehlerkunst

15. Internationales Atelierprogramm der ACC Galerie und der Stadt Weimar

Beteiligte Künstler*innen

Lesedauer etwa 2:59 Minuten

Kontakt:
studioprogram@acc-weimar.de

Neue Stipendiaten

Im Rahmen des 15. Internationalen Atelierprogramms der ACC Galerie und der Stadt Weimar zum Thema "Kunstfehler - Fehlerkunst" werden 2009 drei Künstler für je vier Monate nach Weimar eingeladen. 210 Bewerbungen lagen der Jury vor, die sich in ihrer Sitzung am 17. Dezember 2008 für Rallou Panagiotou, eine in Glasgow (Schottland) lebende griechische Künstlerin, Davy & Kristin McGuire, ein in Macau (China) lebendes britisch/deutsches Künstlerduo und Hiwa K, einen in Mainz (Deutschland) lebenden irakischen Künstler entschied. Die Mitglieder der Jury waren Dimitrios Antonitsis (Athen, New York), Künstler und Kurator des Hydra School Projects (Hydra, Griechenland) und früherer Teilnehmer des Programms, Mika Hannula, Professor für künstlerische Forschung an der Universität Göteborg (Schweden), Carina Linge (Weimar), Künstlerin und Vertreterin der Stadtkulturdirektion bei der Stadt Weimar, Tilo Schulz (Berlin), Künstler und Kurator und Aneta Szylak (Gdansk, Polen), Künstlerische Direktorin und Kuratorin des Wyspa Institute of Art/der Wyspa Progress Foundation. Allen Künstlern, die ihre Bewerbungen eingereicht haben, danken wir hiermit sehr herzlich, wünschen wir viel Erfolg auf ihren weiteren künstlerischen Wegen, ein frohes Weihnachtsfest und ein glückliches neues Jahr!

Kunstfehler - Fehlerkunst (2009)

Der Herr: "Es irrt der Mensch so lang er strebt."

Mephisto: "Wenn du nicht irrst, kommst du nicht zu Verstand!"

Johann Wolfgang von Goethe, Faust, Prolog im Himmel und Klassische Walpurgisnacht

Irren ist menschlich und aus Erfahrung wird man klug, sagt man. Schon Goethe wusste, dass uns der positive Umgang mit unseren Fehlern fehlt. Denn das Fehlerhafte und der Irrtum werden nicht selten tabuisiert und als individuelles oder gemeinschaftliches Versagen gebrandmarkt, obwohl sie oft jene Schrittmacher sind, die zu gesellschaftlichem Umdenken und qualitativen Veränderungen führen. Ohne sie ist keine Entwicklung möglich.

Die holprigen, doch nie ziellosen Schleichpfade der biologischen und der kulturellen Evolution sind gesäumt von Versuchen und Irrtümern. Motor ihres steilen Aufstiegs ist die Inkaufnahme von Fehltritten. Dennoch wünschen wir uns nichts sehnlicher als eine perfektionierte "Null-Fehler-Kultur". Steckt die aber nicht auch voller Strapazen und Fehlschläge, sodass man ebenso von einer Irrtumsgesellschaft sprechen könnte? Führt uns nicht gerade diese unvollendete Welt des Fehlerhaften, gepaart mit einem fröhlichen Eingeständnis eigener Fehlertauglichkeit, zu jenen Auswegen und kulturellen Anknüpfungspunkten, über die sich all die Geschichten des Scheiterns neu für uns erschließen? Einem Scheitern, das eben nicht nur Verlust und Insolvenz in einer von Schwarz-Weiß-Ansichten geknechteten, aus dem Gleichgewicht geratenen Welt bedeutet, sondern gepflegt und kultiviert wird, um uns die Furcht vor dem Versagen zu nehmen? Ist unsere sinnliche Wahrnehmung, unser Erfahrungsschatz angesichts eines überbordenden, in virtuellen Welten eingebetteten abstrakten Wissens überhaupt noch imstande, Fehler einzugestehen, zu bewältigen, zu korrigieren?

Der Kunstfehler ist ein Begriff aus der Medizin, dem etymologisch zugrunde liegt, dass die ärztliche Behandlung nach dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft (im Lateinischen "de lege artis", im Englischen "the state of the art" - "nach den Regeln der Kunst") ausgeführt werden muss. Der Medizin wohnt seit jeher die Schwierigkeit inne, praktisches Wissen unter den Bedingungen der Realität umzusetzen, ihr obliegt eine elementare Verantwortung für Qualität und das Wohl des Patienten, für dessen eingehende Beratung, restlose Aufklärung über bevorstehende Therapien und Eingriffe und für die ausführliche Erläuterung aller bestehenden Risiken. So möge es sich vielleicht auch mit der Kunst verhalten. Vielleicht liefern die Regeln der Kunst aber auch die Bausteine für jene letzte Bastion, die sich nicht scheut vor würdevollem Scheitern, lustvollem Irren, leidenschaftlichem Versagen, dem Reiz der Niederlage: Nicht die Wissenschaft oder das Handwerk, sondern die Kunst ist das Paradies für Genies, der letzte Zufluchtsort für Versager, an dem Misslingen Aufbruch wird.

Der Kunstfehler oder das fehlgeschlagene Kunstprojekt zeitigt - ob vorsätzlich erdacht oder unbeabsichtigt - nicht selten das schlüssigere Resultat, wenn es Idee, Versuchsanordnung, Prototyp, Beschreibung, Simulation bleibt. Spannend am lediglich erdachten, nie begonnenen oder vollendeten Werk kann z.B. sein, dass es Einblicke in den Schöpfungsprozess gewährt. Ein Dichter sagte: "Vielleicht ist das Scheitern des Versuchs Einsteins, eine allgemeine Feldtheorie aufzustellen, für die Physik sein wichtigster Beitrag." Künstler, die Genugtuung dabei empfinden, in einem Projekt ihr Scheitern zu thematisieren, können sich ebenso für das Atelierprogramm bewerben wie Künstler, die sich in ihrem Vorhaben mit dem Scheitern und Fehlerhaften per se auseinandersetzen möchten. Und warum soll für den Künstler nicht zutreffen, was Friedrich Nietzsche in der "Fröhlichen Wissenschaft" sich selbst zuschreibt: "Er ist ein Denker, das heißt, er versteht sich darauf, die Dinge einfacher zu nehmen, als sie sind."

Kontakt:
studioprogram@acc-weimar.de

Diese Seite teilen