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  • Galerie und Kulturzentrum in Weimar
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Atelierprogramm

The Errands Group: Greekodorama, 2014.

Politik und Freuden des Essens

20. Internationales Atelierprogramm der ACC Galerie und der Stadt Weimar (seit 1994)

Lesedauer etwa 2:06 Minuten

Contact/Kontakt: studioprogram@acc-weimar.de

Aus Bewerbungen von Künstlern aus 19 Ländern hat eine internationale Fachjury, die am 11. und 12. Oktober 2013 in der ACC Galerie tagte, die Künstler Diego Castro (*1972/DE), die Künstlergruppe The Errands Group (GR, Mitglieder sind Ilan Manouach, Zafos Xagoraris, Sofia Dona, Alexia Sarantopoulou, Maria Tsigara, Dimitris Theodoropoulos, Nina Pappa und Giorgos Koufakis) sowie Evy Schubert (*1981/DE) ausgewählt. Die Jury setzte sich zusammen aus dem Londoner Kurator und Kunstkritiker Henry Meyric Hughes, dem in Berlin und Zürich lebenden Künstler Rémy Markowitsch, und dem israelisch-tunesischen Künstler Rafram Chaddad. 

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Mehr als alles andere bestimmt die Nahrungsaufnahme unser Leben. Als unumgängliches Grundbedürfnis wirft sie den Menschen tagtäglich auf seine nackte Existenz zurück. Doch neben der bloßen Aufrechterhaltung unserer Lebensfunktionen trägt das Essen entscheidend zum allgemeinen Wohlbefinden bei. Sättigung und Genuss haben nicht nur eine physiologische, sondern auch eine psychologische und sozial-gesellschaftliche Dimension.

Ob Gesundheitswahn oder Essstörungen, Fast oder Fusion Food, Askese oder Frustessen, Social Dining oder Social Business, Take-away oder Home Delivery, schlichte Notwendigkeit oder purer Genuss bis hin zum Exzess — das Spektrum ist grenzenlos, geht es um die freie Gestaltung wie auch innere und äußere Zwänge dieses elementaren Daseins-Aspekts.

„Politiken und Freuden des Essens“ sind als Teil jeder menschlichen Kultur (und Religion) Ausdruck der Ideologien und Gesellschaftsverhältnisse, des Entwicklungsstandes oder Verfalls einer Zivilisation. Ihr Potenzial als Gemeinschaftsbildner und Kollektivereignis wie auch ihre Funktion zur sozialen Distinktion (der König isst anders als der Bettelmann) sind Teil der Evolution. Man ist, was man isst, und so hängt, wovon und wie wir uns ernähren, nicht nur von den vorherrschenden Bedingungen ab, sondern wirkt auf sie ein.

In privilegierten Weltregionen führt die „Mobilmachung“ lokaler Nahrungsgüter aus aller Welt zu einem so nie da gewesenen kulinarischen Aktionsradius, einem globalen Speiseplan, der die Wahl zwischen Haute Cuisine und Slow Food, Veganis- und Vegetarismus, Öko- und Bio-Fetischismus erlaubt und sich in bewussterer und gesunderer Ernährung niederschlagen mag.

In den Entwicklungs- und Schwellenländern Asiens, Afrikas und Lateinamerikas hungern eine Milliarde Menschen, also jeder Siebte der Weltbevölkerung. Jährlich sterben 8,8 Millionen, hauptsächlich Kinder, an Hunger — ein Todesfall alle 3 Sekunden. Selbst im Wirtschaftsland Nummer 1, den USA, hungern 10 Millionen, Menschen mit „sehr geringer Nahrungssicherheit“, wie es offiziell heißt.

Dabei mangelt es der Erde nicht an Nahrung: Sie gelangt einfach nicht zu denen, die sie brauchen. Globale Erwärmung, Klimaschwankungen, Dürre, Überschwemmungen, bewaffnete Konflikte, Korruption, schlechte Regierungsführung, wachsende Weltbevölkerung, Biosprit-Boom, verändertes Ernährungsverhalten der neuen Mittelklasse in China und Indien und die Subventionspolitik z.B. der EU verschärfen die Situation. Im Zuge der Monopolisierung von Ressourcen durch multinationale Konzerne setzt sich das geopolitische Tauziehen um Rohstoffregionen weiter fort. Grundnahrungsmittel werden Spekulationsgut, Allmende an überlieferter Agrarkultur zu patentiertem Privateigentum. Die Kriege des 21. Jahrhunderts werden um Wasser und Reis, Mais oder Soja, um die Fischgründe der Weltmeere, die Weizenfelder Afrikas geführt. Aber auch Essensskandale, Biopiraterie und gen-modifizierte Lebensmittel zerrütten die Idee, dass „Essen eben Essen ist“, wie wir es immer kannten. Wie fühlen und denken Konsumenten des 21. Jahrhunderts darüber, was sie essen und trinken?

Künstler, die sich mit diesem vorgegebenen Thema auseinandersetzen möchten, mögen sich für unser Programm bewerben.

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