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  • Galerie und Kulturzentrum in Weimar
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Ausstellungen

Alle Neune!

Ausstellung So., 23.06.1996–So., 14.07.1996

Alle Neune!

Lesedauer etwa 3:30 Minuten

Peter Bauer (DE)
EIGEN+ART: Carsten Nicolai (DE) / Nina Fischer & Maroan el Sani (beide DE) | Annelies Štrba (CH)
// Gebauer und Thumm: Michel François (BE) / (e.) Twin Gabriel (DE) / Hans Hemmert (DE)
// Christian Nagel: Hans-Jörg Mayer (DE)
// neugerriemschneider: Michel Majerus (LU) / Jorge Pardo (CU) / Tobias Rehberger (DE) / Rirkrit Tiravanija (TH/US)
// Schipper & Krome: Carsten Höller (DE)
// Barbara Weiss: Annette Begerow (DE) / Maria Eichhorn (DE) / Christine und Irene Hohenbüchler (AT)
// Wohnmaschine: Thorsten Goldberg (DE) / Anton Henning (DE) / York der Knöfel (DE) / Robert Lippok (DE) / Florian Merkel (DE) / Maya Roos (CH) / Joerg Waehner (DE)

Mit Alle Neune! öffnete die ACC Galerie Weimar ihre Räume als Plattform für neun deutsche
Galerien, die in kompakter Form ihr Profil, Vermittlungsprogramm und ihre Künstler vorstellen konnten. Gedacht war diese Momentaufnahme als Gegenstück und Ergänzung zur Museumsschau mit dem anspielungsreichen Titel "nach weimar", die nach einer Idee des ehemaligen Galeristen Paul Maenz zunächst intendierte, neun junge, "trendbestimmende" Galerien dafür zu gewinnen, sich mit ihren Künstlern und ihrer Sicht auf die Kunst der 1990er vorzustellen, um gleichermaßen Maenzens bedeutende Sammlung internationaler Kunst der 1960er bis 1980er, die als Grundstock des zukünftigen Neuen Museums in Weimar heimisch werden würde, bereits drei Jahre vor seiner geplanten Wiedereröffnung zum Kulturstadtjahr 1999 in die Zukunft zu verlängern. Die mit der Koordination und Kommunikation betrauten Kuratoren, der Leiter der Kunst-Werke Berlin, Klaus Biesenbach, und der Chef des Künstlerhauses Stuttgart, Nicolaus Schafhausen, entschieden jedoch gemeinsam mit den Kunstsammlungen zu Weimar, eine eigene, freie Künstlerauswahl vorzunehmen, um künstlerische Positionen außerhalb des Galeriensystems einbinden zu können und den Zugang zu öffentlichen Geldern angesichts der Beteiligung privatwirtschaftlicher Galerien nicht zu blockieren. Dies sorgte für Turbulenzen, gegenüber denen Alle Neune! Ruhepunkt wie auch Basislager für Vermittlung und Vorstellung jener Galerien sein wollte, denen die ursprüngliche Idee des Projekts "nach weimar" galt. Besonders rege war dabei EIGEN+ART-Chef Gerd Harry Lybke, der die Idee der temporären Galerie in Weimar fortführte, nachdem sie schon in Tokio 1990, Paris 1991, New York 1993 und London 1994 – 95 erfolgreich realisiert werden konnte. Die Papierarbeiten Spin & Loop (1996) von Carsten Nicolai, die interaktive Installation Be Supernatural (1995) von Nina Fischer & Maroan el Sani, die sich mit dem Einfluss so genannter «Neuer Medien» und der Konstruierbarkeit der Welt als digitaler Wirklichkeit auseinandersetzte, und Fotoarbeiten von Annelies Štrba wechselten sich im Wochentakt ab. Friedrich Look befand, dass seine Dependance vor allem für den Austausch mit Besuchern und die alltägliche Galeriearbeit nutzbar sein müsste, deshalb wurde ein Geschäfts- und Wohnraum (wie es sich für eine Wohnmaschine genannte Galerie gehört) eingerichtet. Kunsttisch und -stühle (1996) von Anton Henning waren flankiert von Arbeiten von Robert Lippok, Maya Roos, York der Knöfel, Thorsten Goldberg und Florian Merkel. Joerg Waehner ging mit Labyrinth der Schreibtische: Weimar (1996) in die Johann-Peter-Eckermann-Schule, um Schreibtische, angeordnet in einem Schulzimmer, zu zeigen. "Diese sind Labyrinth der Geschichte, oder dem Irrgarten in einem Park ähnlich. Also Schreibtische der Dichter, der Architekten, der Bürokraten, der Parteisekretäre und der Bonzen, der Schreibtischtäter, der Todesverwalter in den Lagern …" Auf den Tischen befanden sich Namensschilder mit den Aufschriften von Personen der Zeitgeschichte, also Namen, die die provinzielle Widersprüchlichkeit und die geistige Elitenhierarchie des Weimarer Kreises als deutsches Spiegelbild entblendeten. Monitore zeigten deren Gesichter, Lautsprecher ließen Geräusche von Festumzügen, Gleichschritt, Befehlen, Hundegebell, Rezitationen und Schreibmaschinengeklapper ertönen. An der Stirnseite des Raums hing – anstatt der Schultafel – ein Doppelbild mit Schreibmaschinen. Die Galerie Christian Nagel zeigte, im Kontrast zu den zahlreichen Installationen im Museum, mit Hans-Jörg Mayer einen Ölmaler, der neben anderem nicht ohne Ironie mehrfach Bundeskanzler Kohl als gutmütigen älteren Herren porträtierte. Die Galerie Schipper & Krome präsentierte mit Carsten Höllers Killing Children III (1991/94) das Kinderzimmer eines Kinderquälers, in dem modifizierte Readymades, wie eine Babyflasche mit Fröschen, ein angeschlossener und offen liegender Elektrodoppelstecker mit Schokobonbons, eine Plastiktrompete mit Kartoffelkäfer, eine Playmobilfigur "Verletzter" oder ein Buch Wichtige Krankheiten und Schädlinge der Kinder auf signalrotem Teppich das Ambiente bestimmten. Die Galerie neugerriemschneider konzentrierte sich auf Wandbilder von Künstler*innen, deren Strategien einander ähneln. Von Michel Majerus stammte die formale Pop-Art-Wand ohne Titel (1996), Jorge Pardo hinterließ in lindgrün eine facade of gallery (1996), Tobias Rehberger das gestreifte Wandmuster striped wall painting (1996) und Rirkrit Tiravanija die Wand monochrome orange (1996). Die Galerie Gebauer und Thumm zeigte neben Hans Hemmerts Zeichnungen und dem Lichtkasten Samstag Nachmittag zuhause in Köln Fotografien des Künstlerpaars (e.) Twin Gabriel und von Michel François. Zentraler Gedanke in der Arbeit von Christine und Irene Hohenbüchler ist jener der "multiplen Autor*innenschaft". Mit verschiedenen Partner*innen treten sie, inspiriert von den Kommunikationsmodellen von Gilles Deleuze und Félix Guattari, in einen intensiven Dialog, aus dem heraus in kollektivem Kunstschaffen gemeinsame Arbeiten hervorgehen. Ihre Zusammenarbeit mit der Kunstwerkstatt Lienz, einer Ateliergemeinschaft in Osttirol, in der Künstler ihre schöpferischen Begabungen kultivieren, stellten die Zwillingsschwestern in 35 Fotografien vor. Darüber hinaus zeigte ihre Galerie, Barbara Weiss, Drucke von Maria Eichhorn (Abfahrtsplan, Ankunftsplan, Poster Meeresblick, 1996) und Siebdrucktafeln o. T. (1995) sowie für die Kunst-Werke Berlin (1995) bestimmte Modelle von Annette Begerow. Über Peter Bauers Installation Die Fahnen (1996) war das ACC präsent. Die Galerie allgirls, Berlin, sagte ihre Teilnahme kurzfristig ab. Durch ACC-Vermittlung konnten aber zeitgleich die Berliner Galerien Arndt+Partner und Dogenhaus mit 12 Künstler*innen im Speicher Karlstraße ein temporäres Domizil beziehen.

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