Annäherungen an das Glück
Ausstellung Sa., 24.01.2004–So., 14.03.2004
Lesedauer etwa 3:37 Minuten
Kuratorin: Elisabeth Hartung (kunst-buero) | Projekt der Luitpold Lounge (beide 2004)
Tina Bara (DE) und Alba d’Urbano (IT) / Gerhard Blum (DE) / Heike Döscher (DE) / Jakob Gautel (DE) / Ottmar Hörl (DE) / Christian Jankowski (DE) / Kalaman (DE) / Jason Karaïndros (GR) / Hyon-Soo Kim (KR) / Berit Klasing (DE) / Annalies Klophaus (DE) / Vollrad Kutscher (DE) / Thomas Lehnerer (DE) / Cary Leibowitz (US) / M+M (DE), Frances Scholz (US) / Elke Marhöfer (DE) / Piotr Nathan (PL) / Olaf Nicolai (DE) / Anny und Sibel Öztürk (DE) / Corinna Schnitt (DE) / Monica Studer und Christoph van den Berg (CH) / Thomas iede (DE) / Timm Ulrichs (DE) / Matthias Wähner (DE) / Susanne Weirich (DE) / Carl Emanuel Wol (DE) / Stefan Wischnewski (DE) / Rob Wynne (US)
Die Ausstellung erzählte vom Verlangen nach Glück, dem rätselhaften Zustand, launenhaften Phänomen, flüchtigen Ereignis, ungreifbaren Ding. Matthias Wähners Bilder vom Glück (1991) – Glücksschwein, Glücksklee und Hufeisen, aber auch das Schutzzeichen für Denkmäler (weswegen sie in Kriegszeiten zielgerichteter zerstört werden: ein zweifelhaftes Glück) – zierten die ACC-Fassade. Anny und Sibel Öztürk bauten eine Hütte A better world lies in front of me (geçekondu) (2003). Nach türkischem Gesetz darf ein Haus nicht mehr abgerissen werden, sobald es mit Dach steht. Hunderte arme Menschen erfüllen sich täglich mit dem Bau einer Hütte, genannt Geçekondu («über Nacht gebaut»), vor den Toren Istanbuls das Glück vom Eigenheim. Annalies Klophaus’ Ateliertür (2003) trug die «malendschreibend» aufgebrachten Zeilen «Kunst ist Glück» und «Das Wort Glück sähe ich gern als Straße, als begehbaren Weg.» Vollrad Kutschers Stammhaus der Gesellschaft zur Verwertung und Erhaltung der Idee des Pfennigs AG (1996), jetzt Europan, konnte virtuell betreten, ein Objekt wie der 2004 Inhaber-Optionsschein begutachtet werden. Für die Videoinstallation Telemistica (1999) hatte Christian Jankowski vor der 48. Venedig-Biennale fünf TV-Wahrsager per Hotline live angerufen, um den Verlauf seiner Künstlerkarriere und die Publikumsreaktionen auf sein Kunstwerk voraussagen zu lassen. Cary Leibowitz benannte Zustände mittels deutlicher Sätze: Sad ain’t bad / Traurig sein ist nicht schlimm (1997) und Bitter thoughts be gone / Die traurigen Gedanken sind weg (2001). Mit Glückssuchern, Glücksfi ndern und Glücksbringern aus aller Welt wurde Thomas Lehnerers Weltgesellschaft für Glück (1994 – 95) in Wunderkammeratmosphäre vorgestellt. Ottmar Hörls Glück (im Koffer) (2000) bildete – als Telefonkartenedition – ein fl uktuierendes System menschlicher Begegnungen, eine Skulptur als lebendiges Ordnungsprinzip. Jason Karaïndros’ Eros und Thanatos (2002 – 03), Liebes- und Todesgott, symbolisierten zwei identische, unetikettierte Flaschen mit erstklassischem Bordeaux – einer war Viagra, der anderen Zyankali beigemischt. Timm Ulrichs’ Glückswürfel (1965 – 2002) – «Jeder Wurf eine Sechs! Sechs Punkte auf jeder Seite!» – half dem Glück auf die Sprünge und führte das Würfeln ad absurdum. Rob Wynnes überdimensionierte Fliegen tummelten sich als Glücksbringer (1999 – 2003) an der Wand – auf ihren Rücken Worte, die sie zu entzifferbaren Boten machten. Jakob Gautel kredenzte Glückssamen (1992 – 2003) zum Mitnehmen und Züchten einer sehr widerstandsfähigen Gewürzpflanze. Die Siegerehrungen (2003) von Tina Bara und Alba d’Urbano zeigten auf zehn Fotoporträts ehemals erfolgreiche, nun gealterte DDR-Leistungsschwimmerinnen noch einmal in Siegerpose. Thomas Thiedes Groovetiere waren Kopfgeburten, Vehikel, Glücksritter (2003), ausgestattet mit Sensoren, Tentakeln, Saugnäpfen und Augäpfeln, um sich durch den Infodschungel zu schlagen. Das Künstlerduo M+M und Frances Scholz suchten sich in Rom eine Luxuswohnung, die wie in Bertoluccis Film Der letzte Tango Ort einer prickelnden erotischen Affäre, Ausdruck höchsten Glücks sein sollte. Telefongespräche mit dem Makler, Fotos der (leeren, schäbigen) Wohnung sowie Still und Soundtrack des (tragisch endenden) Films brachen mit der Romantik des Tango Project (1999). Hyon-Soo Kims Stoffskulptur Kleine Mütter (2003) sprach vom Glück neuen Lebens und des Kindes, von der Mutter geliebt und geschützt. Zum Bild, zur Lichtinstallation modifi zierte Annalies Klophaus das Wortspiel Glücklicht (2003). Piotr Nathans üppiges Schmuckstück Grünes Collier (1997) assoziierte Reichtum, war aber in Größe und Gewicht untragbar. Anstelle eines smaragdgrünen Steines verkündete ein eingefasster Zeitungsartikel vom Tod eines Fötus, der im Leib der tödlich verunglückten Mutter noch einige Wochen überlebt hatte. Der Skaterzwerg 2 (2003) von Carl Emanuel Wolff sinnierte, sich von einem aus Spielkarten zusammengesetzten Bild abwendend, über das Glücksspiel als Kartenspiel (2001). Gerhard Blums Skulpturen Angellion, der König im Glück und Kirinon, der König im Unglück (2003) waren zum Verwechseln ähnlich, unterschieden sich nur in den Farben Rot und Schwarz – Glück und Unglück dicht beieinander.
Beteiligte