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Ausstellungen

Die Kultur der Angst - The Culture of Fear

Ausstellung So., 15.10.2006–So., 31.12.2006

Die Kultur der Angst - The Culture of Fear

Lesedauer etwa 3:11 Minuten

AES+F (RU) / Caroline Bachmann und Stefan Banz (CH) / Peter Bux (DE) / Critical Art Ensemble (US) / Luc Delahaye (FR) / Christoph Draeger (CH) / Maria Friberg (SE) / Johan Grimonprez (BE) / Kiosk NGO (RS) / Philipp Lachenmann (DE) / Lucas Lenglet (NL) / Yerbossyn Meldibekov (KZ) / Trevor Paglen (US) / Nino Sekhniashvili (GE) / Austin Shull (US) / Efrat Shvily (IL) / Nedko Solakov (BG) / The Yes Men (US) / Noboru Tsubaki (JP) / Peter Wächtler (DE) / Wang Jianwei (CN)

Co-Kurator: Knut Birkholz (NL)

Angst als Gefühlszustand und Konzept ist ein allgegenwärtiger Lebenspartner, ihre Produktion beherrscht ganze Industriekomplexe, macht sie zu einer Schlüsseltechnologie der Macht, verändert unsere Wahrnehmung von Gefahr und unser Konsumverlangen. Auf den digitalen Leinwandpanoramen der Serie Last Riot (2006) von AES+F verschmolzen Science Fiction, Teenager-Modefotografie, Kommerzspektakel und Kriegsindustrie zu einem sauberen, hyperästhetischen, virtuellen Schlachtfeld. Caroline Bachmann und Stefan Banz porträtierten mit As I Opened Fire, I Shot A Kennedy, Suddenly This Overview (alle 2004) und Les Jumelles (2005) US-amerikanische Politiker, die Nu-Metal-Musikband Slipknot, Clint Eastwood als Westernhelden und Ajatollah Chomeini in Öl und spielten mit deren Bedeutungszusammenhängen. Peter Bux untersuchte analytisch ermittelte Fluchtbewegungen bei Gefahrensituationen in Bauwerken wie dem ACC und leitete daraus grafi sche Modellvorstellungen von Idealpanik, ortsspezifi sch «angewandter» Panik und die Nutzbare Bodenfläche bei Panik
(2006) ab. Die Videos GenTerra, Body of Evidence und Marching Plague (alle 2005) des Critical Art Ensemble zu politischen Aspekten der Biotechnologie konfrontierten uns u. a. mit einer Angstkultur, in der Strafbehörden willkürlich jene verfolgen, die beschützt werden sollten. Luc Delahayes Foto-Tafelbild 132nd Ordinary Meeting of the Conference (2004) hielt einen Augenblick während einer Sitzung der Organisation erdölexportierender Länder fest, Baghdad IV, April 13, 2003 (2003) eine Straßenszene, aufgenommen kurz nach Beginn der Irak-Invasion. Einen 16-mm-Film von der Simulation eines «nuklearen Erstschlags» auf einem ungarischen Katastrophenschutz-Übungsgelände kombinierte Christoph Draeger in Helenés – Freedom (2005) mit Fetzen aus George W. Bushs Präsidentschaftsantrittsrede, die an den Kalten Krieg erinnerte. Draußen wehte Draegers Warflag (Bandera de la Guerra) (2005). In No time to fall (2001) verwandelte Maria Friberg George W. Bushs «Rede zur Lage der Nation» in dessen gesammeltes Schweigen aus stummen aber viel sagenden Gebärden. Auf acht Videostill-Ciba chromes löste Johan Grimonprez Skyjackers (Flugzeugentführer, 1997) der Jahre 1969 bis 1993 aus der Dynamik der massenmedialen Inszenierung heraus – eine verstörende Ahnengalerie der Verblendung. Eine Armee der Warnschilder von Sicherheitsfirmen aus den Villenvorgärten in Beverly Hills und Bel Air kündete in Philipp Lachenmanns Bel Air Bouquet (2003 – 05) vom Sicherheitswahn und seiner Industrie. Seine Space_Surrogates (Dubai und GSG 9) (2001 – 03) thematisierten die Flugzeugentführung der «Landshut» 1977 und ihre mediale Verwertung, Wahrheitsverfälschung und Mythenproduktion. Lucas Lenglets Sperrgebiet no title, anti-tank emplacements (2004) – aufeinander sitzende minimalistische Alu-Skulpturen, die an Panzersperren erinnerten – machte die Sicherheits- zur Gefahrenzone und erzeugte Sinnbilder für Aus- und Eingrenzung. In der Performance PASTAN on the Street (2006) ließ sich Yerbossyn Meldibekov auf Bishkeks Marktplatz öffentlich schlagen und demütigen, um das Verhältnis zwischen Staat und Individuum anzuprangern. Die Installation Communication (2005) von Kiosk NGO zeigte Ergebnisse eines Fotoworkshops mit jungen Serben, Albanern und Roma aus dem serbisch-kosovarischen Grenzgebiet und dass ein versöhnlicher Austausch möglich ist. Trevor Paglen dokumentierte 2005 bis 2006 auf den Spuren unbestimmbarer ziviler Luftfahrzeuge, die mutmaßliche Terroristen weltweit zu geheimen Gefängnissen brachten, mit astrofotografi scher Technik Testareale und Stützpunkte von CIA und US Army. Um die von ihren Eltern geplante Hochzeit und ein von rigiden, patriarchalischen Regeln vorbestimmtes Leben zu umgehen, sah Nino Sekhniashvili nur noch im Banküberfall einen Ausweg, dessen Überwachungsaufnahmen als Bang Bank (2004) zur Kunst wurden. Austin Shulls Produktreihe Pandemic Survival Systems (2006) aus Überlebenssystemen zur Infektionsvermeidung (Quarantänezelt, Überlebenstoilette) kritisierte dubiose Unternehmen, die aus der Angst der «Verbraucher» vor drohenden Epidemien Kapital schlagen. Efrat Shvily dokumentierte in New Homes in Israel and the Occupied Territories (1993 – 98), wie Israels Bevölkerung sich mit wehrhaften Wohnarchitekturen in einer neuen Heimat zu behaupten sucht. Nedko Solakov antwortete auf das weltweite Interesse, sich das Gesicht eines Propheten vorzustellen, mit einem Angebot (An Offer, 2006), den eigenen Vorstellungen in einem weißen Raum Ausdruck zu verleihen, was immer auch die Konsequenzen sein mögen. A Fear from a Work of Mine (2006) bestand nur noch aus dem Beschriftungsschild eines unausgestellten Werks der Größe 23 x 79 x 16,6 cm – der Raum über dem Sockel war leer. Die Halliburton SurvivaBalls (2006), von The Yes Men in der Rolle zweier Repräsentanten des US-Konzerns Halliburton als neu entwickelte Überlebensanzüge für Führungskräfte bei Klimakatastrophen vorgestellt, entstanden mit ACC-Unterstützung. «Dow-Chemical-Repräsentant» Jude Finisterra (einer der Yes Men) verkündete im BBC-World-Live-Interview (2004), dass die Opfer der Bhopal-Katastrophe endlich entschädigt werden. Als Noboru Tsubaki zum Radikal Dialogue (2006) aufrief, wurde jene Mauer en miniature gebastelt, die Israel zur Sicherheit vor palästinensischen Selbstmordattentätern errichtete. Peter Wächtler und die Astrologin Makara entwarfen die Modellpyramide eines idealen Entspannungs- und Heilungsortes, NEW AGE (2006), für Menschen, die unter Zukunftsängsten und daraus resultierenden pathologischen Zuständen leiden. Die Verformung persönlicher Beziehungen, Entindividualisierung und andere Wirkkräfte in Chinas Unternehmensstrukturen inspirierten Wang Jianwei zum Video Spider (2004).

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