Sterne aus Gugging
Ausstellung So., 20.06.1993–Di., 27.07.1993
Lesedauer etwa 3:08 Minuten
August Walla, Einzelgänger, Gesamtkünstler, Aktionist, ist der vielseitigste unter den Guggingern, legt Zeichen in die Landschaft, bemalt Bäume und Straßen, erfindet Texte von großer poetischer Dichte. Er hat sich seine eigene Welt geschaffen, die oft mit geheimnisvollen Emblemen chiffriert ist, Auseinandersetzungen mit der eigenen Geschlechtsidentität, der katholischen Religion, mit Politik – ÖVP KPÖ SPÖ (1992) – und Umwelt zur Sprache bringt und sein Lebensinhalt wurde. In seinen Werken identifiziert er sich nicht nur mit Göttern, mit dem Teufel oder «Hitler-Sohn», sondern erzählt von der eigenen Umwandlung vom «Nazimädchen» zum «Kommunistendoppelknaben». Ein Schwimmenter Glücklicher Kleiner Teufel, Badet im Monat (1991) gab Rätsel auf. Die Zeichnungen von Franz Kernbeis wirken, als ob sie aus der Steinzeit stammten und in Fels gehauen wären. Meist sind es einzeln dargestellte Gegenstände – wie in Baum (1989) und Blumen (1989) –, Figuren und Tiere, die ohne Perspektive komponiert wurden. Heinrich Reisenbauers Kompositionen sind, wie die Blätter Autos und Rodel (beide 1991) sofort erkennen lassen, in geometrischer Anordnung gezeichnete, serienmäßig einförmige, Ordnung, Gleichmäßigkeit und Genauigkeit betonende, sich stets wiederholende Motive ausgewählter Alltagsgegenstände (Regenschirme, Unterhosen, Sonnen, Flaschen). Der Zeichner und Kolorist Johan Korec ist bekannt für seine intimen und ausdrucksstarken Darstellungen von Liebespaaren in teils sehr eindeutigen Situationen. Die kommentiert er wie in Es war Mittwoch 25 (1986) und Es war Samstag 17 Uhr (1992) auf von deutscher Orthografie recht unabhängige Weise – unter Preisgabe des eigenen ebenso wie des Namens seiner Partnerin – wodurch die dargestellten Ereignisse um so authentischer erscheinen und wie herausgerissene illustrierte Tagebuchseiten zu Projektionen eigener Erlebnisse werden. Liebevoll, detailliert und in Tusche zeichnet Johann Garber solch stark verdichtete, ornamentartige, bis zum Rand mit vielfältigsten Motiven gefüllte Tuschekompositionen (man spürt deutlich die Angst vor der freien Fläche – «Horror vacui») wie Sexi Blatt (1990) und Kind Popo (1991). Nie ohne Sexualsymbole, wenn auch ohne Rücksicht auf anatomische Vorbilder, werden Körperteile von Figuren variiert und neu proportioniert. Johann Fischer erzählt gerne und bringt seine Geschichten auf das Papier. Dort mischen sich Realität und Fantasie – wie in Die jungen Ehepaare (1992). Seine nicht nur scharfsinnigen Beobachtungen, sondern auch zahlreichen Betrachtungen – verallgemeinerte, vom Zufälligen befreite, immer disziplinierte Visionen – setzt er zwischen die Gestalten, oft beginnend mit den Worten «In unserem Sovärenem Österreich». Hauptmotiv der Werke Philipp Schöpkes sind unkonventionelle Gestalten mit überdimensionalen Köpfen, zahllosen Zähnen und einem Torso mit dünnen Händen und Beinen. Herz, Rippen, Magen und Darmausgang sind sichtbar vorhanden, entweder im Körper oder daneben. Ebenso erscheint auf den Zeichnungen ein weibliches oder männliches Genital. Schöpke betitelt seine Arbeiten mit Namen (z. B. Mitzi oder Franzi) oder gibt sogar Verwandtschaftsbeziehungen der Figuren untereinander an und fügt, wie in Frau Hela 27J und Frau Anerl 58J (beide 1985) Altersangaben hinzu. Seine zitternden Hände beeinflussen den Verlauf der Linien. Formale, sparsame Lösungen, die er seit den 1970ern auf ein Minimum reduziert hat, subtile, klare Linienführung und der Kontrast zwischen dem schwarzen Tusche- oder Eddingstrich und der weißen Blattfläche oder Leinwand sind für Oswald Tschirtners Feder- und Filzstiftzeichnungen körperloser, langgliedriger Kopffüßler, später auch fußloser Figuren, deren Köpfe wie in den ausgestellten Menschen im Kino (1990) und Ein Klavierspieler (1989) mit den Körpern verschmolzen, wesentlich und verbreiten eine asketische Stimmung. Johann Hauser ist ein Genie des Ausdrucks. Die Dynamik seines seelischen Zustands fließt in seine Blätter, deren Papier durch kraftvolle Stiftführung Druckstellen aufweist (Krampus, 1990). Expressiver Charakter, kraftvoller, dichter Farbauftrag, der die Zeichnungen wie Gemälde wirken lässt, und erfindungsreiche Bilderwelt kennzeichnen seine Farbstiftzeichnungen, oft Frauenbildnisse (Frau mit Fahne, 1986) mit brutal exponierten Geschlechtsorganen, die gleichzeitig dämonisch und Furcht erregend wirken. Hausers Raketen, Flugzeuge und der «Blaue Stern» wurden zum Symbol des Hauses der Künstler. Fritz Kollers seltsame Schaubilder seiner Gefühlswelt sind ins Abstrakte transformierte «Gedankenstriche», deren Formgebung zwischen verzweigten, netzartigen Strukturen, wie im ausgestellten Ohne Titel (1990), und der Lapidarität des einzelnen, sicheren Strichs pendelt. Menschen (oft mit fratzenhaftem Gesicht), Tiere oder Gegenstände sind oft derart geometrisierend bzw. zerstückelt verfasst, dass das Vorbild der Zeichnung nicht mehr erkennbar ist.Mit Wachskreide, Bleistift und Kohle verleiht Franz Kamlander seiner Vorliebe für Tiere Ausdruck. Vor allem Kühe – eine schwarz-gelbe Kuh (1991) und eine rot-gelbe Kuh (1992) wurden im ACC gesichtet – sind sein Markenzeichen geworden. Er kann unzählige davon zeichnen und trotzdem wird jede einzelne immer wieder anders wirken: natürlich, witzig oder sogar monumental. Mit derselben Schnelligkeit und Geschicklichkeit, mit der er subtile Lyrik und unbezwingliche, perfekt beherrschte Dynamik verbindet, zeichnet er auch alle anderen ihm bekannten Tiere. Die expressiv und stark bewegt wirkenden Zeichnungen von Arnold Schmidt entstehen oft in kurzer Zeit, wie in einem Anflug von Euphorie. Die Leichtigkeit des schwungvollen, zentrischen Strichs, der über das Blatt zu eilen scheint, reißt den Betrachter mit, vermittelt eine Dynamik, die wie in Figur (1993) kennzeichnend für Schmidts Bilder ist.
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Erste Eindrücke