zum Inhalt
  • Galerie und Kulturzentrum in Weimar
  • So–Do 12–18, Fr–Sa 12–20
  • +49 3643 851261

Ausstellungen

Suite Barcelona

Ausstellung Sa., 03.05.1997–So., 15.06.1997

Suite Barcelona

Lesedauer etwa 3:21 Minuten

Sieben Künstler*innen der Galería Metropolitana de Barcelona: Akané Asaoka / Cruspinera / Xavier Déu / Manolo Gómez / Toni Moranta / Vanessa Pey (alle ES) / Elmar Thome (De)

Co-Kuratorin: Chus Martínez (ES)

Tapetenwechsel für die katalanische Galería Metropolitana aus Barcelona. In deren Weimarer Suite Barcelona, ihrem Hotelzimmer, hatten sich sieben Künstler*innen häuslich eingerichtet. Der Gemeinschaftsraum war gesäumt von sieben Single Rooms. Betrat man den Raum, schien die Bemerkung Walter Benjamins bei der Betrachtung von Goethes Zimmer, "Wir aber müssen eine Welt zum Tönen bringen, um den schwachen Oberton eines Innern erklingen zu lassen", lebendig zu werden. Schnell wurde jedoch klar, dass es hier nicht um eine einzigartige Privatsphäre ging, sondern um die entfremdete Intimität eines Hotelzimmers. Dessen Nachgestaltung rückte ein Bett als Mobiliar ins Zentrum, machte es zum Anziehungspol für die restlichen Elemente, schuf Raumidentität, stellt einen Bezug zur Lebenswelt her. In ihm – als Ort des Beginnens und Beendens, einem Komplizen unserer Traumwirklichkeit und Fantasie – konkretisierten sich Tag und Nacht, Wachsein und Schlafen, Leben und Tod. Fürs Liegemobiliar hatte Xavier Déu die Spermienfotografie eines Elektronenrastermikroskops (Landschaft, 1996) zur Tagesdecke umfunktioniert: Spermien zeugten am "Ort des Geschehens" als Spuren früherer Begegnungen, gemeinsamen Genusses oder onanistischer Lust in unpersönlicher Form von Schöpfung oder unerfüllten Verheißungen. Vanessa Peys sinnliche Untamed Queen (Ungezügelte Königin, 1997) zierte das Kopfende des Bettes. Toni Moranta wollte mit dem rötlich glühenden, heißen, nach angesengtem Metall riechenden Objekt Souls-Body. Christ’s Body. (1997) in der Liason von Organischem (einem Rinderknochen) und Anorganischem (einem elektrischen Widerstand) die Dichotomie von Körper und Geist aufheben. Metaphysisch "verklebt" hing das Werk wie eine Lampe von der Decke. Akané Asaokas Intimate Space (Intimer Raum, 1997) bildete als "Resonanzkasten der inneren Ruhe" das Sitzmobiliar. Manolo Gómez öffnete mit Mirall Barcelona (Spiegel Barcelona, 1997) ein Fenster mit Blick aufs Meer. Das Bild der Stadt Barcelona nahm Weimar in sich auf, spiegelte imaginäres Mittelmeer, vereinte zwei geografische Räume: "Für einen Moment sind wir alle Reisende. Alle sind wir Besucher in diesem Zimmer, alle sind wir auf einen Sprung in einem Hotel einer Stadt, die uns nur ein paar Tage gehört." Textur und Dichte der grafisch anmutenden, extrem auf die Wirkung von Schwarz fokussierten Malereien Cruspineras entstehen, indem er ihren Farbauftrag mit Löffeln und anderem Küchengerät abspachtelt. Aus vier solcher Ölgemälde (Nose, Ear, Mouth, Eye), den beiden Monotypien Todo Ojos (Ganz Auge sein) und fünf Bronzeminiaturen (Das Sehen, Das Hören, Das Schmecken, Das Riechen, Das Fühlen) wurde die Raumkomposition um fünf, da war es schon ein Körper (1996). Sie demontierte das menschliche Gesicht mit seinen Sinnesorganen und dem Tastsinn, den wichtigsten Werkzeugen zur Wahrnehmung und zum Kontakt mit der Umwelt. Die autonomen Elemente, teils vereinsamte, gigantische Organe, addierten sich vor Ort in sprühender Disharmonie wieder zu einem zerlegten Ganzen. Getaucht in schwarzes Licht und geschützt von einem Moskitonetz, hing in einem Schutzkämmerchen etwas, das wie Puppenhüllen von Insektenlarven aussah. War die Schaulust des Eindringlings befriedigt, folgte vielleicht die Einsicht, den Vorgang dieser Metamorphose nicht weiter stören zu wollen, und man überließ die fragilen, leuchtenden Körper der Installation Crisálida (Verpuppung, 1997) wieder sich selbst. Ihr Schöpfer, Xavier Déu, hatte sie aus fein gesponnenen, mit Polyesterharz und fluoreszierender Farbe überzogenen Nylonfäden "gezeugt". In Elmar Thomes Skulpturen (1996 – 97), die wie exotische Tiere oder fliegende Wesen aussahen, traten radikal verschiedene Materialien wie gefundene LKW-Reifen und verzinkter, rostfreier Edelstahl, durch Spannen, Quetschen und Aufrichten zum Leben erweckt, in Wechselwirkung – eine Begegnung zwischen Organischem und Mineralischem. Manolo Gómez hinterließ in seinen neoromantischen Mischtechniken Mono y Física (Affe und Physik), Trilogía (Trilogie), Rostro, Trilogía (Gesicht, Trilogie) und Guardabosque (Waldhüter) (alle 1997) aus Wachs, Pigmentfarbe, Fotokopien und verlaufender Tinte körperliche und sinnliche Spuren, die dazu verführten, sich ins Bildinnere hineinziehen zu lassen. In ihrem Constellations Project (1997) sammelte Akané Asaoka Nachtaufnahmen – fünf aus Weimar und vier aus Barcelona –, auf denen mehrere Lichtquellen von Straßenbeleuchtungen zu sehen waren – manche selbst fotografiert, manche via Internet von Helfern "gespendet" – und arrangierte diese als runde Bildplatten zu neuen Konstellationen, künstlichen "Sternenbildern". In fünf per Video und TV manipulierten Aktfotokompositionen soul’s performance (Seelen-Performance, 1997) von Vanessa Pey lagen Schönheit und Gewalt dicht beieinander – "eine Reise durch die innere Gestalt des Menschen. Sich verändern und rebellieren, absterben und wiederaufleben, sind die wichtigsten Momente in unserem Leben." In seiner Installation El imperio contrataca. El imperio de los sentidos comunes. (Das Imperium schlägt zurück. Das Imperium des gesunden Menschenverstandes., 1997) ironisierte Toni Moranta mittels rotierender, nach Benzin riechender BMW-Motorradtanks die deutsche Wiedervereinigung und ihre Machtkonzentration innerhalb Europas. Im "Gefühlsraum" Vida eterna para todos (Ewiges Leben für alle, 1997) wiederum, einer Sammlung von Reizen aus sparsamem Neonlicht, Bewegung, Geruch, Hitze und Stille als spannungsgeladener Materie, zog Moranta mit sieben Plastikgloben, die zwischen elektrischen Widerständen um ihre Achsen rotierten, und verspiegelt-vergoldeten Zeitungsartikeln über Papst Johannes Paul II. ("Der Papst schließt eine erneute Sintflut aus und weist darauf hin, dass er sich eine Woche zum Meditieren zurückzieht.") Vergleiche zwischen göttlicher und ökonomischer Macht der führenden
Wirtschaftsnationen G7.

  • Erste Eindrücke

Diese Seite teilen