Nina Galić
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Nina Galić nimmt in «If your future is not mine» Fidel Castros Adidas-Jacke als Ausgangspunkt einer neuen Uniform und vereint Revolutionskritik mit einer subkulturell inspirierten Fashion-Strategie. Nina Galic: «Im April 2016 wandte sich Fidel Castro, der als stets bereit für den bewaffneten revolutionären Kampf galt, während der Abschlussveranstaltung eines Kongresses der Kommunistischen Partei in Havanna zum letzten Mal an die Öffentlichkeit. Die Führung wurde reibungslos auf seinen Bruder übertragen, der eine neue Richtung des Staates hin zum marktorientierten Neoliberalismus einführte, woraus sich schließen lässt, dass Castros Auftritt in jenem Adidas-Anzug diesen neuen Weg unterstützte und er die bis dato obligatorische Militäruniform «im Stich ließ».
Angesichts seines Erscheinungsbildes sind nun verschiedene Interpretationen möglich. Es könnte als ein subversiver Akt mit geheimer Botschaft interpretiert werden, in dem Castro absichtlich jüngeren Generationen schmeichelt (nicht selten Träger sportlicher Markenartikel als Alltagsmode), die sich heute an verschiedenen Formen von Aktivitäten wie Demonstrationen, Protesten oder Unruhen beteiligen. Dort spiegeln sich ihre Ideale, Werte und Interessen wider, mit denen sie der Gesellschaft zeigen, dass sie sich vom politischen Prozess marginalisiert fühlen. Adidas «unterstützt» dies noch mit dem Werbeslogan «Your Future Is Not Mine» und suggeriert damit, dass «kapitalistischer Lifestyle» gerade jenen Unterprivilegierten in den Ländern angeboten wird, in denen die Markenartikel billig produziert werden (und getragen, um sich nun übers Outfit mit den Privilegierten identifizieren und «vereinen» zu dürfen).
Indem ich die Bedeutung von Castros Trainingsanzug neu überdachte, habe ich im Projekt «If your future is not mine» aus originalen Adidas-Trainingsanzügen eine Uniform für das neue revolutionäre Subjekt geschaffen. Der unvermeidliche Anspruch von Adidas und die Rolle der korporativen Macht bei der Bildung von Tugendhaftigkeit, Rechtschaffenheit und Werterhaltung bleiben dabei erhalten, werden in meine Arbeit aufgenommen. Eines der dem Kapitalismus inhärenten ökonomischen Motive bzw. eine seiner Strategien (nämlich dass gesellschaftliche Bewegungen umgehend aufgesogen werden), wird somit genutzt und betont.
Meine Uniform eines revolutionären Subjekts ist weiß, was auf einen revolutionären Kampf in friedlichen Verhältnissen hinweist, in dem künstlerische und kulturelle Aktivitäten genutzt werden, um die Protestierenden davon abzuhalten, sich verängstigt zu fühlen. Die «Puppe», die die Uniform trägt, ist innen hohl. Die Uniform wird nur von einem Metallgerüst getragen (was vielleicht an Ritterrüstungen erinnert, die man aus Museen kennt). Das Video mit jener neuen Uniform imitiert einschlägige Werbespots zu Markenartikeln, wie sie im Raum gegenüber zu sehen sind. Meine Uniform mag andeuten, dass das revolutionäre Subjekt irgendwo existiert, mag für Aktion und Bewegung stehen, und nun gilt es, sie in einen Zustand der Handlung, der politischen Aktion zu versetzen.»
Die Fotos mit Models, die die Uniform des neuen revolutionären Subjekts tragen, markieren interessante politische und historische Standorte, zum Beispiel das Denkmal des unbekannten Helden (des ersten Weltkriegs) auf dem Gipfel des Avala im Südosten von Belgrad – oder eine Straßensituation nahe des Berliner Doms, die 2017 während des Shootings für eine Adidas-Werbekampagne verwendet wurde.
Galić: «Meine Haltung zum Begriff der Revolution hat sich wirklich geändert. Ich hatte geglaubt, die Leute wären schon morgen bereit für eine Veränderung. Nach dem Ende meines Weimaraufenthalts führte ich Interviews mit «Linken» in Belgrad und fand heraus, dass das eigentliche Problem war, das Problem (gesellschaftlicher Veränderung) an sich zu benennen, geschweige denn sich über einen Lösungsansatz zu unterhalten. Drei der interessanteren Interviews finden sich abgedruckt in einer Zeitung. Im Raum daneben ist ein Fragebogen, den ich Sie auszufüllen bitten möchte».