Lodewijk Heylen
Lodewijk Heylen ist technikbegeisterter Künstler und Science-Fiction-Experte. Für das Atelierprogramm beworben hat er sich mit der Weiterführung seines Werkes Reformator Universalis, einem Computerprogramm, welches automatisch Autobahnkreuzungen konstruiert. Ausgewählte Simulationen bestimmter Knotenpunkte werden auf reflektierende Autobahnschilder gedruckt. Aus der Vorbedingung, dass jede in den Autobahnkreuzknotenpunkt eingehende Straße in ALLE weiterführenden Richtungen münden muss, errechnet das Programm Lösungsangebote mit unterschiedlichsten Mustern (Überlappungen, Verschlingungen), ohne Wert auf die Effektivität der Angebote zu legen. Die Autobahn spielt in Heylens Kunst schon lange eine große Rolle. In Kemzeke (BG) und Berlin erschuf er zwei Varianten des Werkes Concrete Evidence (2013/15). Es handelt sich um zwei einen Meter breite Ausschnitte von ortstypischen Autobahnen: Der «Berliner Meter» steht im Hans-Baluschek-Park auf einer Wiese, mit einer Spanne von 36 Metern, rechts- und linksaußen umfasst von Leitplanken, welche auch die beiden Fahrtrichtungen in der Mitte trennen. Zwischen den jeweils dreispurigen Fahrtrichtungsbahnen steht eine Straßenlaterne. Die Autobahn in ihrer normalen Erscheinung ist ein für uns bekannter Anblick, durch die Reduktion auf einen Meter Breite tritt die sonst nicht beachtete Materialität in den Fokus, der Weg respektive die Straße wird zum Ziel der Betrachtung, es entsteht ein neues, abstraktes Bild.
In Weimar angekommen begann Heylen, an 20.000! zu arbeiten, ein gemeinsames Projekt von Studierenden des Meandering Through Space-Seminars der Bauhaus-Universität Weimar, initiiert von deren wissenschaftlichem Mitarbeiter Martin Schneider und dem Künstler. Über den Zeitraum eines Semesters untersuchte der Kurs die Beziehung zwischen computerisierter und existenzieller Wahrnehmung von Räumlichkeit und Bewegung. Ein System polychromer Bälle bewegt sich wie Atome, beeinflusst durch die Schritte der Galeriebesucher. Jede Farbe hat ein ursprüngliches Habitat — eine Zone, die ihren anfänglichen Zustand im System repräsentiert. Sie vermischen sich langsam, bilden Muster, Formationen und Sequenzen. Die ursprüngliche Ordnung löst sich in einem visuellen Chaos auf, ein willkürlicher Farbfluss der Chrominanz, in dem es keine Ordnung mehr gibt. Die Bälle füllen den Boden der Galerie, Kollisionen sind unvermeidbar und Galeriebesucher werden schließlich zu Komplizen des Systems, in dem sie sich bewegen. Zusätzlich zu diesen unfreiwilligen Interaktionen haben die Besucher den Auftrag, einfachen Regeln zur Wiederherstellung der Ordnung zu folgen, die gleichzeitig zu mehr Chaos durch die Bewegung durch die Masse führen.
Ergänzend zu der physischen Installation wird eine Serie von Computersimulationen gezeigt, die einem ähnlichen Konzept folgen. Auch sie beruhen auf gewissen Regeln, die die Grundlage für neue, digitale Situationen bilden. Die Simulationen demonstrieren sowohl Korrelationen als auch Absurditäten im Bereich zwischen analoger und virtueller Welt und stellen somit eine abstrakte Parallele zur Bälle-Installation dar. Mitarbeiter des Projektes waren Maud Canisius, Linda Anna-Sophia Dertinger, Lodewijk Heylen, Martin Schneider, Rachel Smith und Tobias Zimmer.