Leena Kejriwal
Die vier indirekt über frei hängende Elektrokabel miteinander verbundenen Räume mit (inszenierter) Kunst von Leena Kejriwal befassen sich mit der Stellung der Frau in der Gesellschaft und der Beziehung zwischen der Geschichte des Sexhandels und seinen Auswirkungen auf Kleinkinder. Kejriwal lebt in Kalkutta, sie kennt den Alltag und die Tragödien der Stadt daher sehr genau. Inspiriert von der Eigenproduktion eines Bildbandes mit Porträts von Kalkutta begann sie, sich mit dessen Rotlichtviertel zu befassen, das die britischen Soldaten sich bereits kurz nach ihrem Eintreffen und dem Beginn der Kolonialzeit zu ihrem Vergnügen eingerichtet hatten. In diesem Rotlichtviertel zwangen sie Frauen zur Prostitution.
Die im ACC ausgestellten Fotoserien in den vier Kabinetten werden über zahlreiche (zu) tief hängende Leuchten nur indirekt angestrahlt und wirken dadurch atmosphärisch-intim. Ihre Wände sind gelb, schwarz und rot getüncht und ausgeschmückt mit Leuchtschlangen, Tüchern, Hammer-und-Sichel-Fähnchen Bengalens. Zudem vermitteln die teils verfallenen Räume den Eindruck, als würde hier schon sehr lange jemand leben, der kein Geld zur Renovierung hat.
Leena Kejriwals Aufnahmen entstanden im oben genannten Rotlichtviertel Kalkuttas und sind stille Zeugen einer Underground-Ökonomie als Überlebensgrundlage. Gleichzeitig sprechen sie auch von den Begierden einer patriarchalen Gesellschaft, die diese Frauen auf vielfältige Weise beansprucht. «Phool Bibi» zeigt eine Prostituierte in dem Raum, in dem sie ihre Arbeit verrichtet. Was nicht auf den ersten Blick auffällt, ist das unverhältnismäßig hohe Bett. Die Höhe des Bettes ist dem Umstand geschuldet, dass die Kinder der Prostituierten keinen anderen Lebens- und Schlafraum haben, als dieselben schäbigen Nutzräumen in denen die Sexgeschäfte abgewickelt werden und deshalb während der Arbeit der Mutter unter dem Bett ausharren müssen.
Unter den Menschen, die dies stoppen möchten, ist eine NGO-Hilfsorganisation, mit deren Unterstützung es Leena Kejriwal gelungen ist, eine Schule für diese Kinder einzurichten, um ihnen einen Schulbesuch zu ermöglichen und sie aus diesem Lebensumfeld herauszuholen. So soll verhindert werden, dass die Kinder dort aufwachsen müssen und vor allem, dass die jungen Mädchen Opfer von Vergewaltigungen werden oder dass sie später genötigt sind, dieselbe berufliche Erfahrung wie ihre Mütter zu machen.
Eine weitere Fotografie mit dem Titel «Kartigya Weds» zeigt den Gott der Ehe, zu dem die Prostituierten beten, in der Hoffnung, im nächsten Leben einen Ehemann zu finden und eine «ehrbare Frau» zu sein. Symbolisch für diese Hoffnung steht ein Video, das einen Ausblick auf dieses Leben gewährt. Ein frisch verheirateter Mann reitet auf einem Pferd, begleitet von einer Blaskapelle. Diese Momentaufnahme einer indischen Tradition steht in extremem Gegensatz zur Lebensrealität der Prostituierten.
Erste Eindrücke