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  • Galerie und Kulturzentrum in Weimar
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Veranstaltungen

Christopher H. Simpson (GB)

So., 11.03.1990–Do., 29.03.1990
Eintritt: 3 € / erm.: 2 € / Tafelpass: 1 €

Christopher H. Simpson singt Kompositionen von Wolfgang Amadeus Mozart

Lesedauer etwa 2:25 Minuten

Die Entführung mutete fast wie eine ausgestellte Explosion an und war Christopher Haley Simpsons erstes Ausstellungsexperiment, mit dem er imaginative Kräfte freisetzen, Traumwirklichkeiten in einem Kunstraum öffentlich machen wollte. Er war für diese Reise in sein inneres Zuhause, ins Unterbewusstsein, den Spuren seiner einprägsamsten Kinderträume gefolgt und hatte einige der Trauminhalte in mehreren Bilderfolgen festgehalten. Grell kolorierte und düstere Kompositionen aus dutzenden gierig greifenden Armen, kostümierten Teufeln und anderen finsteren Gestalten wechselten einander ab. Es ist die Inspiration, die Simpson am deutschen Expressionismus verspürt, die den Engländer Mitte der 1980er in die Spät-DDR verführt – der expressionistische Dichter Walter Rheiner (1895 – 1925) inspiriert Simpson («Ich bin ein somnambuler Künstler, ein träumender Charakter auf der Bühne der Kunst!») sogar zum Verfassen metaphysischer Gedichte. Sein katastrophaler «Traum vom Ersticken am eigenen Kopfkissen» beginnt mit den Worten «Ich lag auf dem Kopfkissen, einem großen weißen Kopfkissen, aber mit meinem Gesicht nach unten.» Simpsons Traumtexte, aus denen er zur Eröffnung äußerst expressiv und fesselnd vorgetragen hatte, begleiteten die Gemäldeserien. Die Begegnung mit der Traummalerei Hartwig Ebersbachs war für Simpson absolut befreiend gewesen. Er entschied sich, neben dem Bild die Erzählform des Traumes zu wählen, um die Trauminhalte auf höchst eigentümliche Weise in die soziale Wirklichkeit zu transportieren. An einem Baugerüst hängend, trug er zur Kulturmeile ’90 in einer Open-Air-Performance seinen «Traum von der Blauen Bibliothek» vor, der mit den Worten «Ich kletterte hoch auf ein Baugerüst über dem Abgrund …» seinen Anfang nahm. Der Traum vom brennenden Turm (geträumt 1984): «Ich gehe an einem dunklen Gebäude entlang. In Schatten getaucht, umbaut mit einem Gerüst, kaputt, verlassen, dunkelgrün. Am Ende der Wand öffnet sich der Blick auf ein weites Feld. In der Ferne brennt ein Turm. Ringsherum stehen Menschen. Faszination, Katastrophe, Ehrfurcht. Es erinnert mich an den brennenden Zeppelin: feurig lodernd, langsam fallend, unvorstellbar heiß.» Der Traum von den eruptierenden Händen (geträumt 1984): «Im Fieber erwachte ich langsam mitten in der Nacht mit dem Gefühl, als ob hinter mir das allerschrecklichste Wesen lauerte, das unfassbarste, unheimlichste, bedrohlichste Wesen, das überhaupt existierte. Ich war so von Angst gepackt, dass ich mich nicht traute, mich umzudrehen, um das Ding, dieses teuflische Wesen, anzuschauen. Aber ich spürte, wie es hinter mir im Nacken hockte, mit dem erschreckenden Gewicht seiner unermesslichen Bosheit, mit seiner Schwere und Kälte an Bosheit, mit seiner eisigen Bannkraft, vor der ich Angst bekam. Eine Schwere an Schlechtigkeit, die meinen Rücken und meine Seele und über mich bis zu Sternenhöhe emporwuchs. Vor Schreck traute ich mich nicht, dem Wesen ins Gesicht zu blicken. Ich spürte voller Schmerzen, wie es hinter mir hockte wie eine teufl ische Rechenmaschine. Ich lag starr da, paralysiert vom Grauen. Als ich aber endlich meine Angst überwand und mich umdrehte, um dem Gespenst zu begegnen und meiner Pein ein Ende zu machen, verschwand das Wesen. Gleichzeitig brachen unzählige Hände aus der Wand am Fuße des Bettes und zerrten und griffen nach mir, als ob sie mich durch die Wand ziehen wollten. Die Hände und Arme waren so wahrhaftig wie meine eigenen – aber die würgende Kraft und Feindseligkeit ihrer Griffe erschienen mir erzfeindlich aus dem Jenseits eruptierend, so dass ich schreien musste. Sie zogen meinen Körper zur Wand. Meine Angst war so unglaublich, dass mir übel wurde. Die Turbulenz von den greifenden Händen verschwand dann rasch und wellenartig in der Wand. Doch ein unglaublicher Horror erfüllte mich, obwohl ich jetzt nur das Muster der kleinen roten Blumen der Tapete im dunklen Schlafzimmer wahrnahm. Jetzt war die Wand wieder fest. Wo waren die fürchterlich bösen Hände? Woher kamen sie? Wohin verschwanden sie?»

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