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Veranstaltungen

Erst die Arbeit …

16. November 2002 bis 05. Januar 2003

Sa., 16.11.2002–So., 05.01.2003

Lesedauer etwa 2:10 Minuten

1999 formten Henrik Schrat und die REINIGUNGSGESELLSCHAFT (Martin Keil und Henrik Mayer) die AG Arbeitsgeist, die sich vornehmlich einer ironischen Dekonstruktion des Arbeitsbegriffs widmet. Die Künstlergruppe bringt Beiträge aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Kunst in Ausstellungen, Interventionen und Publikationen in einen neuen diskursiven Zusammenhang. Ihre Schau in der ACC Galerie bot dem Besucher einen Parcours spielerischen Denkens zum tiefen Sinn von Arbeit und Muße, Zeit und Geld, Wohlstand und Bedürfnissen. Auffällig, wie sehr Rekreation als «Erhaltung der Arbeitskraft respektive -produktivität» in den Werken auch über ihre Titel ein Zentralthema ausmacht – so bei Schrats animiertem Videoloop Reproduktionsmaschine (2002), wo eine Pleuelstange eines klobigen Getriebes einen Computerbildschirm penetrierte, der aus zähfl üssigem Material zu bestehen schien. Rein-raus-reinraus ... Ähnlich im Fitness-Studio der RG: Power Your Body (2000), um ihn nun gerade in einer Kunstgalerie für den erhofften Arbeitsplatz zu stählen. Auf ihrer Fotografie Brotpenner (1999) war einem schlafenden Obdachlosen ein Baguette entglitten. Des weiteren flatterten da – betitelt Modul (2000) – RGs geklöppelte Schmetterlinge auf ebenfalls geklöppelter Blütenpracht vor schwarzrotgelbem Hintergrund. In ihrem Salon Recreativo (2000) hielt dem Betrachter eine Gruppe lachender Pensionäre ein Schild mit ebenjener Aufschrift entgegen, während die Fotokombination Aktiva /Passiva (2000) mit Gegenüberstellungen operierte: schlafender Afrikaner / lachender Arafat, Berghorizont / Bilanzkurve, und so auch die Schlagworte Aktiva / Passiva. Ebenso die zweiteFotokombination Arbeit /Lohn (2000): Schubkarren versus Biertrinker, Schwimmer versus Verdauungstrakt, Arbeit versus Lohn (letzteres wiederum als Schlagworte). RGs Fotografi e verortete die Liebe (1999) eines umschlungenen Paares vor einem Supermarkt mit neu erworbenem, bunt verpacktem CD-Player. Außerdem blickte man bildanimiert ins Hartzpapier (2002) der AG Arbeitsgeist, folgte einem funktionierenden Angestellten per PC vom Fließband bis in die Badewanne und durfte sich auf einer roten Couch lümmeln, vor der ein Video zu jenen Zeitgenossen einlud, die sich aus tradierter Erwerbsarbeit durch Bedürfnisarmut oder Tauschwirtschaft ausklinkten. Schrats Video Die Arbeitsmager (2002) zeigte in Zeitlupe die Übergabe des Maßnahmenkatalogs zur Reduzierung der Arbeitslosigkeit von der «Hartz Kommission» an den damaligen Bundeskanzler Schröder, unterlegt von Schuberts «Mut» aus der Winterreise, einem Aufbaulied der 1950er und dem berühmten «Wir steigern das Bruttosozialprodukt» der Band Geier Sturzfl ug. In einem Balkenchart aus Schaumgummi Dax 2000 (2001) bildete Schrat die Gewinne der 30 DAX-Unternehmen im Jahr 2000 nach. Auf die Frage «Was willst Du mal werden?» antwortete im Cartoon Alt (2000) ein Jugendlicher nur: «Alt». Derweil philosophierte Peter Sloterdijk auf einem anderen Schirm, ob es nicht falsch sei, Arbeit und Würde stets als einander konstituierend zu sehen. Oder wie ordnete sich der Film Freie Fahrt für Frank (2000) ein, in dem ein Rentner täglich per Mofa die tschechische Grenze kreuzte, um dort Zigaretten zu kaufen, die er dann an Arbeitslose verschenkte? Keine Limits für Kati (2001) der AG Arbeitsgeist war eine Bildgeschichte in 42 Tafeln: Ein Tag aus dem Leben von Kati, die eine verdammte Menge an Jobs gleichzeitig bewältigen muss. Drei Rauchermännchen in Familie (Einig Vaterland, 2000), mit deutscher Fahne posierend wie zu einer Demons tration, die modellierte «Titanic», elf Computer zum Klicken und Surfen, allerlei Kommentare an den Wänden, der Hammer, das nunmehr veraltende Symbol von (körperlicher) Arbeit, in Vielzahl gezeichnet, gemalt, als Installation von Henrik Schrat (Hammerhart, 2000, und Hammer-Mobile, 2001) und eine Dependance im Bildungszentrum Weimar der Bundesagentur für Arbeit rundeten das Arbeitsverhältnis der Schau ab. Wer sich von Ich-AG und Gründerinitia tiven angezogen fühlte, konnte sich mit der Gesellschaft für Arbeits- und Wirtschaftsförderung verbinden lassen.

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