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Ausstellungen

A Kids Headquarters

Part 1: Mikhail Karikis (GR/GB)

Ausstellung 0002–Sa., 31.07.2021

Mikhail Karikis: «Sasha», aus der Fotoserie «Little Demons», 2017.

Lesedauer etwa 3:24 Minuten

Mikhail Karikis (*1975 Thessaloniki, lebt in Lissabon und London) ist ein bildender sowie Klang- und Performancekünstler, Filmemacher und Komponist mit experimenteller Praxis. Er ist der erste Künstler, dessen Werke wir 2021 im Showroom des Projekts A Kids Headquarters zeigen, um Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen kommunikative, kritische, kreative und aktivistische Möglichkeiten aufzuzeigen, die Welt mitzugestalten. Nehmen wir mal an, dass unsere Gesellschaft ein Update gut vertragen könnte. Und setzen wir mal die Fähigkeiten von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen, in ungewohnten Kategorien zu denken, ganz oben auf die Agenda. Das bereits lässt es lohnenswert erscheinen, gemeinsam mit Kindern und Jugendlichen den Gedanken weiterzuspinnen, wie Gesellschaft auch anders sein könnte: Wir setzen auf Erfindungsreichtum, Unvoreingenommenheit, Spontaneität, Flexibilität und Improvisationsvermögen. Denn das macht Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene zu Partner*innen, die viel beizusteuern haben. Nur wer mitreden und mitbestimmen darf, wird auch mitgestalten wollen. Das ACC als Schutzraum für Kunst ist dabei auch Produktionsnische, Rastplatz, Treffpunkt, Ideenumschlagplatz, Gedankenschmiede, Herberge für Visionen, Kommunikationsplattform, politischer Handlungsraum und Trainingscamp für Demokratie, um gemeinsam Ideen, Initiativen und Aktionen zu entwickeln. Jede/r von Euch ist eingeladen (sobald die Regelungen es wieder erlauben). Mikhail Karikis z. B. entwickelt Kooperationen mit Gemeinschaften, die möglicherweise in wirt-schaftliche und sozio-geografische Randgebiete gedrängt werden. Er setzt das Zuhören als eine Form des Aktivismus ein. Viele seiner Projekte richten ihren Fokus auf alternative Formen der Solidarität und des Handelns und beflügeln gleichzeitig Aufmerksamkeit, Würde und Empfindsamkeit. In der vorgestellten Filmtrilogie arbeitete Mikhail Karikis mit Teenagern und Kindern zusammen, um das von älteren Generationen übernommene Erbe zu erforschen, darunter Erzählungen über Techno-Dystopien, ökologische Ungerechtigkeit und wirtschaftliche Rezession. Weitere Künstler*innen und Werke folgen.

Children of Unqiuet | Mikhail Karikis

Children of Unqiet (2014) ist ein Projekt, das die Auswirkungen der Post-Industrialisierung auf die Landschaft und die nächste Generation an Bewohnern erforscht — angesiedelt im geothermischen Gebiet des Teufelstals in der Toskana, das Dante zur Beschreibung des Infernos inspirierte, wo im frühen 20. Jahrhundert die Produktion erneuerbarer Energie erfunden und das erste Erdwärmekraftwerk der Welt gebaut wurde. Bis vor kurzem lebten um das Kraftwerk herum 5.000 Arbeiter*innen und deren Familien — in Industriedörfern, erbaut vom modernistischen Architekten Giovanni Michelucci. Nach Einführung automatisierter Technologien im Kraftwerk stieg die Arbeitslosenquote und die Perspektiven für Jugendliche schwanden, was zum rapiden Bevölkerungsrückgang und Verlassen ganzer Dörfer führte. Für die Projektentwicklung arbeitete Mikhail Karikis mit 45 Fünf- bis Zwölfjährigen aus der Region zusammen. Er konzipierte eine Reihe von Workshops und Performances, die wiederum Teile des Projekts hervorbrachten, darunter ein Film, in dem Kinder ein verlassenes Arbeiterdorf «übernehmen». Im Film rufen der spielerische Protest der Kinder, ihre Lesungen über die Liebe und ihr Singen in ihrer natürlichen und industriellen Umgebung hoffnungsvolle Zukunftsaussichten hervor. Zwei weitere Filme gehören zur Trilogie:

Ain't Got No Fear | Mikhail Karikis

Ain’t Got No Fear (2016) ist ein Film, den Mikhail Karikis mit einer Gruppe von 11- bis 14-jährigen Jungen machte, die in dem militarisierten, post-industriellen Sumpfland der Isle of Grain im südostenglischen Kent aufwachsen. Als Antwort auf die Isolation ihres Dorfes und den Raummangel für Begegnungen haben die Kids in den letzten Jahren Raves in einem nahegelegenen Wald organisiert, der jedoch kürzlich von der Polizei eingenommen wurde. Im Video performen die Jungs von Grain einen Rap-Song, den sie über ihr Leben geschrieben haben und in dem sie Erinnerungen an die Zeit, als sie jünger waren, wachrufen, sich aber auch die Zukunft und ihr Leben vorstellen, wenn sie alt sind. Als Beat dient der konstante Zerstörungslärm eines nahegelegenen Kraftwerks. An ein Musikvideo erinnernd, wirft der Film Blicke auf die Erfahrungen von Teenagern an der städtischen Peripherie; er folgt ihnen zu ihren geheimen Undergroundverstecken und zeigt ihre ausgelassene Rückeroberung des Ortes, an dem einst ihre Raves stattfanden. Und er schildert, wie Industriegelände von Jugendlichen neu angedacht und in einer Art räumlicher Gerechtigkeit wiedernutzbar gemacht werden, die durch Freundschaft, Spiel, den Nervenkitzel, Autoritäten zu unterlaufen und sich der Kontrolle Erwachsener zu entziehen, bestimmt ist.

No Ordinary Protest | Mikhail Karikis

Das Projekt No Ordinary Protest (2018) basiert auf dem Science-Fiction-Kinderroman The Iron Woman (1993) des britischen Autors Ted Hughes — eine öko-feministische Parabel über die Wirkung des Klanges auf physische und soziopolitische Transformationen. In dieser Story beschenkt eine Superheldin Kinder mit einer mysteriösen Kraft — einem Geräusch. Übertragen durch Berührung, vereint sich dieses Geräusch mit dem kollektiven Geheul aller von der Verschmutzung des Planeten betroffenen Kreaturen. Die Kinder infizieren Erwachsene mit ihrer Forderung nach unverzüglichem Handeln. Karikis reflektierte mit einer Gruppe Siebenjähriger auf vielfältige Weise die Umweltthemen des Buches. Die Gruppe stellte das Geräusch nach, das die Protagonist*innen bei ihrem Protest unterstützt. Mit ihren Stimmen und auf Instrumenten experi-mentell improvisierend, entdecken die Kinder, maskiert als monströse Agitator*innen, die Kraft des Lärm-machens (welches permanent sich verändernde visuelle Formen annimmt). Durch Klang Veränderungen mobilisieren, den gemeinsamen Sinn für Verantwortung gegenüber der Umwelt und die Notwendigkeit zur Solidarität mit allen Lebewesen erkennen: Der Film legt die politischen Stimmen von Kindern frei und zeigt, wie Lärm machen und gemeinsames Zuhören Mittel sein können, um unsere Welt zu verändern.

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