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  • Galerie und Kulturzentrum in Weimar
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Ausstellungen

ESSEN FASSEN

Ausstellung der Stipendiaten des 20. Internationalen Atelierprogramms der ACC Galerie und der Stadt Weimar

Sa., 21.03.2015–So., 17.05.2015

Diego Castro: Golly it's bad, 2015.

Lesedauer etwa 2:00 Minuten

Diego Castro (DE)

The Errands Group (GR)

Evy Schubert (DE)

Mehr als alles andere bestimmt die Nahrungsaufnahme unser Leben. Als unumgängliches Grundbedürfnis wirft sie den Menschen tagtäglich auf seine nackte Existenz zurück. Doch neben der bloßen Aufrechterhaltung unserer Lebensfunktionen trägt das Essen entscheidend zum allgemeinen Wohlbefinden bei. Sättigung und Genuss haben nicht nur eine physiologische, sondern auch eine psychologische und sozial-gesellschaftliche Dimension.
Ob Gesundheitswahn oder Essstörungen, Fast oder Fusion Food, Askese oder Frustessen, Social Dining oder Social Business, Take-away oder Home Delivery, schlichte Notwendigkeit oder purer Genuss bis hin zum Exzess — das Spektrum ist grenzenlos, geht es um die freie Gestaltung wie auch innere und äußere Zwänge dieses elementaren Daseins-Aspekts.


„The Politics and Pleasures of Food“, die Politiken und Freuden des Essens, sind als Teil jeder menschlichen Kultur (und Religion) Ausdruck der Ideologien und Gesellschaftsverhältnisse, des Entwicklungsstandes oder Verfalls einer Zivilisation. Ihr Potenzial als Gemeinschaftsbildner und Kollektivereignis wie auch ihre Funktion zur sozialen Distinktion (der König isst anders als der Bettelmann) sind Teil der Evolution. Man ist, was man isst, und so hängt, wovon und wie wir uns ernähren, nicht nur von den vorherrschenden Bedingungen ab, sondern wirkt auf sie ein.


In privilegierten Weltregionen führt die „Mobilmachung“ lokaler Nahrungsgüter aus aller Welt zu einem so nie da gewesenen kulinarischen Aktionsradius, einem globalen Speiseplan, der die Wahl zwischen Haute Cuisine und Slow Food, Veganismus und Vegetarismus, Öko- und Bio-Fetischismus erlaubt und sich in bewussterer und gesunderer Ernährung niederschlagen mag.


In den Entwicklungs- und Schwellenländern Asiens, Afrikas und Lateinamerikas hungern eine Milliarde Menschen, also jeder Siebte der Weltbevölkerung. Jährlich sterben 8,8 Millionen, hauptsächlich Kinder, an Hunger — ein Todesfall alle 3 Sekunden. Selbst im Wirtschaftsland Nummer 1, den USA, hungern 10 Millionen, Menschen mit „sehr geringer Nahrungssicherheit“, wie es offiziell heißt. Dabei mangelt es der Erde nicht an Nahrung: Sie gelangt einfach nicht zu denen, die sie brauchen. Globale Erwärmung, Klimaschwankungen, Dürre, Überschwemmungen, bewaffnete Konflikte, Korruption, schlechte Regierungsführung, wachsende Weltbevölkerung, Biosprit-Boom, verändertes Ernährungsverhalten der neuen Mittelklasse in China und Indien und die Subventionspolitik z.B. der EU verschärfen die Situation. Im Zuge der Monopolisierung von Ressourcen durch multinationale Konzerne setzt sich das geopolitische Tauziehen um Rohstoffregionen weiter fort. Grundnahrungsmittel werden Spekulationsgut, Allmende an überlieferter Agrarkultur zu patentiertem Privateigentum. Die Kriege des 21. Jahrhunderts werden um Wasser und Reis, Mais oder Soja, um die Fischgründe der Weltmeere, die Weizenfelder Afrikas geführt. Aber auch Essensskandale, Biopiraterie und gen-modifizierte Lebensmittel zerrütten die Idee, dass „Essen eben Essen ist“, wie wir es immer kannten. Wie fühlen und denken Konsumenten des 21. Jahrhunderts darüber, was sie essen und trinken?


Aus Bewerbungen von Künstlern aus 19 Ländern wählte am 11. und 12. Oktober 2013 eine internationale dreiköpfige Fachjury, bestehend aus dem Londoner Kurator und Kunstkritiker Henry Meyric Hughes, dem tunesisch-israelischen Slow-Food-Artisten Rafram Chaddad und dem in Berlin und Zürich lebenden Künstler Rémy Markowitsch, den spanisch-deutschen Zeichner und Autoren Diego Castro aus Berlin, die achtköpfige Künstlergruppe The Errands Group aus Athen sowie die Berliner Filmemacherin und Videokünstlerin Evy Schubert aus.

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