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  • Galerie und Kulturzentrum in Weimar
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Ausstellungen

Mata-Nataraya. Hippies, Hindus, Hahnenkämpe

Ausstellung Sa., 09.09.2000–So., 29.10.2000

Chailai Rudu

Lesedauer etwa 2:01 Minuten

Torsten Schlüter (DE)

In der Walpurgisnacht 1992 wurde das ACC zur Gänze Schauplatz künstlerischer Aktionen, auf der Rasenfläche vor dem, im Innenhof hinter dem Gebäude, im neu geschaffenen Café und in der Galerie bat Schlüter während eines multimedialen Eröffnungsfestes zu Hexen und Hexen die unergründlichen, heil- oder unheilbringenden Wesen, Sinnbilder für die Verweigerung von Geist und Körper und gesellschaftlichen Ungehorsam, für Lebensintensität, Individualität, Anderssein und freie Lebensweise, aber auch Klugheit, Schönheit und Erotik, zum Tanz.

Dazu zeigte er seine zwischen 1985 und 1992 entstandenen Bilder – Aquarelle wie Spitzer Mädchenkopf (1990) und Plusterhexe (1991), Temperas wie Afrikanische Hexen und Trojanische Hexen (beide 1991), Ölbilder wie Furie und Aus dem Bild gehen (beide 1990), Rindenhexe und Türkisenhexen («Die Angst») (beide 1991) – und Installationen. Im Namen des Traktats «Der Hexenhammer. Malleus malefi carum» (1486) rechtfertigten Inquisitoren des mittelalterlichen Hexenwahns, mit anderen Schriften später weltliche Richter, Rassentheoretiker und Ideologen, deren Opfer von der vergewaltigten Seherin bis zur verbrannten Zigeunerin, vom gefolterten Bauernmädchen bis zur vergasten Jüdin reichten, Verfolgung und Scheiterhaufen, Folter und Mord. Die Gemälde Hexenhammer, Gefolterte oder Vergewaltigung (alle 1991) bezeugten Schlüters Auseinandersetzung mit Stigmatisierung und Ausgrenzung quer durch die Menschheitsgeschichte ebenso wie die Ölbilder Pogrom an Armeniern (1987) und der Oktobersturm (1989), der über Die Einheitspartei (1989) hinwegfegte. Jene äußeren Umstände in den 1980ern, die Praktiken der DDR-Chefinquisitoren und ihrer Erfüllungsgehilfen und die persönliche Situation des sich Selbst als Hölderlin (1986) ins Bild setzenden, damals nicht selten eingeschränkt und abgedrängt agierenden Malers lieferten genügend Stoff zur Auseinandersetzung mit dem seelenverwandten Ketzertum der vergangenen Jahrhunderte.

Seit 1993 verbrachte Schlüter jährlich mehrere Wochen in Indien, etliche Skizzenbücher und «Rucksackpastelle» bringt er zurück, Ausgangspunkte für seine großformatigen Leinwände und Mata-Nataraya. Hippies, Hindus, Hahnenkämpfe (2000), eine Ausstellung, die vom Wechselspiel, Bezug, Ineinanderwirken zwischen Zeichnung und Malerei erzählt. Packpapier war auf den Inseln Bali und Kho Phangan der Zeichengrund für Schlüters Cockfight-Serie (1998). Er folgte den von Palme zu Palme balancierenden Toddy Tappers (2000) in die Baumgipfel, begleitete die Fischer an der Küste Westindiens und die Feldarbeiterinnen in Karnataka, wenn sie Käfern gleich durch die Reisfelder wateten, skizzierte immer wieder Wasserbüffel (Buffalo, 2000) in majestätischer Haltung, machte Pastellnotizen in Pushkar, Cochin, Varanasi oder zurückgezogen an einem Tempel im Dschungel von Hampi. Er malte den Bajiman (1999), der sich seine einfache Mahlzeit irgendwo am staubigen Straßenrand zubereitete, Sonjali (2000), ein madonnengleiches Mädchen inmitten des Marktgetümmels, zeichnete Eine Gruppe Bhistis (2000), die indischen Wasserträger und häufiger noch die Brunnenfrauen, Variationen des Rasta-John (2000), der Sadhus-Askese und Hippie-Kultur in sich einte. In Öl malte Schlüter Moksha (1998), die Befreiung, vielleicht Erlösung, als Motorradansammlung auf einem Acker, dahinter rot die Goa-Trance-Party, blau tangiert vom Chill-Out-Areal der Teefrauen (Chaimamas, 2000). Die Szenerie des Trance-Festes inspirierte ihn zu Psychedelic Jungle (Der Tanz des Warans) (1998). Und er sog mit Yakshi (1998) den Galeriebesucher förmlich in Raum und Szene, ließ auf dem tanzenden Grün von Mata-Nataraya (1999) die Masken schweben, verwandelte den Galerietunnel in einen flirrenden, psychedelischen Pfad (Chailai Rudu, 2000) und eine dunkle Kammer in die explosive Installation Jalasayan (Auf dem Wasser schlafend, 2000).

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