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Ausstellungen

Droog Design

Ausstellung Sa., 25.10.1997–So., 07.12.1997

Droog Design

Lesedauer etwa 3:25 Minuten

Ed Annink / Gijs Bakker / Arian Brekveld / Roland Buschmann / Martijn Fransen / Rody Graumans / Paul Hessels / Martijn Hoogendijk / Peter Hopman / Richard Hutten / Djoke de Jong / Hella Jongerius / Jan Konings & Jurgen Bey / Andreas Möller / Oval / Tejo Remy / Peter van der Jagt / Dick van Hoff / Arnout Visser / Marcel Wanders (alle NL)

Die erste Designausstellung des ACC kombinierte mehr als 50 zwischen 1991 und 1997 entstandene Exponate von 23 Designern des Amsterdamer Kollektivs Droog Design (droog: niederländisch «trocken», «nüchtern») aus der Sammlung des Centraal Museums Utrecht mit 20 Werken und 40 Accessoires aus dem Galeriebestand. In einer Zeit, in der klar wurde, dass das Umweltproblem ernst genommen werden muss, die wirtschaftliche Rezession spürbar und die sparsamere Lebensführung ein gesellschaftliches Phänomen geworden waren, stellte Droog Design aus einfachen, mitunter wieder verwendeten Materialien unaufdringliche Produkte her, in schlichtem Design, fast schon subtilem «No-Design», weder bedeutungsgeschwängert noch überfrachtet, dafür pragmatisch, konzeptuell, manchmal schroff und widerspenstig, oft mit trockenem Humor, ohne Tand. Mit dem Ziel, Entwicklungen des niederländischen Designs zu promoten und im steten Experiment nach neuen Wegen der Formgestaltung zu forschen, bestimmten die Droog-Gründer, der Designer Gijs Bakker und die Designkritikerin und -historikerin Renny Ramakers, die seit 2009 getrennte Wege gehen, seit 1993 mit «aufgeklärtem Absolutismus», was Droog ist und was nicht, filterten ganz undemokratisch, suchten aus, beauftragten, entwickelten, holten Neues hinzu. Eine Talentschmiede mit Kultstatus entstand, deren aufregende Objekte so sind, wie man sich gute Freunde wünscht: Witzig, intelligent, unkonventionell, unterhaltsam und verlässlich. Droog Design ist Form gewordene Neugier, lebendiger, vibrierender Widerspruch, Brain & Soul, disziplinierter Spieltrieb, selbstbewusste Bescheidenheit, eine Haltung, ein Label, ist gelebte Freiheit an der Schnittstelle zwischen Design, Kunst und produzierendem Unternehmen, eben schwer einzuordnen: «Am Anfang hat man uns  als ökologische Gruppe angesehen. Da haben wir im Gegenzug viel aus Plastik gemacht.» Die Droog-Kollektion umfasst inzwischen über 200 Produkte von mehr als 100 Designern. Vertraute Form und einfache Schönheit waren die Kriterien, warum Peter van der Jagt mit seiner Türklingel bottoms up aus Weingläsern den ordinären Türgong, jenen anonymen Kasten überm Eingang, nicht ohne Ironie «demystifizierte». Der warme Klang der beiden Töne – Rot- und Weißweinglas – als Referenz an das Erwarten von Gästen und die Gastfreundschaft per se machte diese Klingel zum am häufigsten benutzten Ausstellungsobjekt. Gleich daneben prangten Ed Anninks robuste Garderobenhaken knob ob aus schwarzem Gummi wie Boxhandschuhe an der Wand: Bloß keine Hakensuche mehr. Djoke de Jongs Tisch in Schultafelfarbe bot überall Zeichenfläche für die Mallaune der Kinder, Telefongesprächsnotizen, Nachrichten für die Mitbewohner. «Meine Möbel haben eine Meinung. Sie erzählen mir Geschichten, mitunter sogar Märchen», meinte Gijs Bakker. Der Papierschrank Folding Bookcase von Jan Konings & Jurgen Bey, mit dem alles begann, wuchs mit dem Bücherbestand. Tejo Remy erfand die Kommode Chest of Drawers, die als Metapher für Droog Design stehen könnte: Viele Schubladen. Ein bisschen schräg. Eigentlich passt nichts so richtig zueinander. Und trotzdem hält alles irgendwie zusammen. Ausrangierte Schubladen vom Sperrmüll erhielten wieder neue Holzfächer und konnten nun vom jeweiligen Besitzer nach Gutdünken übereinander gestapelt und mit einem Band zu einem Schrank zusammengezurrt werden. Oder: Man brachte 50 kg Lumpen, Erinnerungen, von denen man sich vielleicht noch nicht trennen mochte, zu Tejo Remy, der presste sie zwischen Metallriemen, wie sie zum Einspannen von Industrie- und Druckerzeugnissen verwendet werden, und fertig war der Lumpensessel Rag Chair. Es sitzt sich weich auf einem Bündel Schlüpfer, Lappen, Hosenbeine und Hemdsärmel. Marcel Wanders hatte einen Sessel aus dünnem Seil, Knotted Chair, gehäkelt, auf dem selbst Schwergewichtige sitzen konnten. Ohne Formvorlage wurden die Karbon- und Aramidfasern frei gehangen, an acht Punkten fixiert und mit Polyester eingepinselt, was sie härter als Stahl machte – ein Experiment, bei dem das europäische Luft- und Raumfahrtlabor Delft Pate stand. Die beiden Sofas S(h)it-on-it und The Cross zeigte Richard Hutten immer gemeinsam. Als schwarze Swastika und weißes Christuskreuz symbolisierten sie die hypokritische Religionsausübung der katholischen Kirche, aber auch Faschismus und Wirtschaftskorruption als dominante Faktoren im Italien des 20. Jahrhunderts. Rody Graumans’ Kronleuchter 85 Lamps im brachialen Baumarktcharme bestand lediglich aus dem Allernotwendigsten: Einem großen Bündel Glühbirnen, bekrönt von einem Knäuel Lüsterklemmen. Eine Milkbottlelamp von Tejo Remy, eine Deckenleuchte aus zwölf recycelten Milchflaschen, bestückt mit Kühlschrankglühbirnen, warf weiches Licht und stand dieser Innovation in nichts nach. Die Soft Vase von Hella Jongerius war aus weichem Polyurethan, zeugte von der Schönheit griechischantiken Kunsthandwerks, verformte sich unter dem Gewicht von Blumen und blieb über jeden Ehekrach erhaben, weil es ja keine Scherben gab. Ein weiches Waschbecken Sink von Dick van Hoff war aus gehärtetem Filz «genäht ». Arnout Vissers Öl-Essig- Glaskännchen Salad Sunrise (Salat-Sonnenaufgang) konnte Öl oder Essig aus demselben Spender  kredenzen, je nachdem, in welche Richtung man goss. Essig ist schwerer als Öl und setzt sich unten ab – und der Behälter hatte einen «Schnabel» unten und einen oben – genial! Im Bad ging’s nicht weniger praktisch zu, die Wände hatten Funktionen: Hinter den Rot-Kreuz-Fliesen verbarg sich der Arzneikasten, aber auch an Fliesen als Fernseher, Klopapierschublade und Schultafel war gedacht. Ganz zu schweigen von Hella Jongerius’ Badematte mit Wassertropfen aus Gummi oder Arnout Vissers Fußbodenkacheln mit gebrannten Glasscherben, die wie Wassertropfen aussahen, ein Ausrutschen verhinderten und gleich noch die Füße massierten.

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