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Ausstellungen

Die Kunst der Simulation | The Art of Simulation

Ausstellung So., 18.02.2018–So., 06.05.2018

Reiner Riedler, Fake Holidays, 2004-2008., Bild: Reiner Riedler

Lesedauer etwa 5:18 Minuten

Eröffnung

So, 18.2.2018 | 18 Uhr

Dauer

19.2. - 6.5.2018

AES+F (RU)
Acci Baba (JP)
Vik Muniz (BR)
Reiner Riedler (AU)
Egill Sæbjörnsson (IS)
The Yes Men (US)
Leila Tschopp (AR)

Gewinner des Wettbewerbs der Fakultät Gestaltung der Bauhaus-Universität Weimar in Kooperation mit der ACC Galerie Weimar zur Ausstellung Die Kunst der Simulation | The Art of Simulation:

Andreas Grahl
Kaspar Elias Kimmel
Kathy Schubert
Max Weisel (alle DE)

Tropical Islands, Lascaux 2, Ski Dubai, Stadtschloss Berlin, D-Day-Reenactment: Simuliert wird allerorten und jederzeit, im Medienzeitalter mehr denn je. Wir simulieren, was wir vermissen, was einmal (vertraut) war — Vertrautheit, die uns in unserer unmittelbaren Umwelt so oft verloren geht — um uns sicher zu fühlen in dem, was ist. Die Simulation lässt uns zudem wieder zu selbst ermächtigten Schöpfern werden. Die Menschheitsgeschichte ist auch eine Geschichte der versuchten Erhaltung, Konsolidierung und Wiederbeschaffung des Besonderen, Atmosphärischen, Überwältigenden, Unglaublichen, Nostalgischen, Sehnsuchtsbehafteten (Moments, Ereignisses, Kunst- oder Bauwerks). Eine Situation oder Konstellation zurückbringen, nachempfinden, gar nachbauen heißt, unserem innersten Drang nach Wiederholung oder besser noch konstanter Beibehaltung von positiv Erlebtem, Seelenheil, Glück nachgeben dürfen, um unsere Identität zu (er)finden oder bestätigt zu wissen. Die Strategie der Simulation ist Trost, um das Leben jenseits davon, den Alltag, auszuhalten. Wie weit kann das gehen? Sieben Künstler und vier Studierende der Bauhaus-Universität Weimar gehen dieser Frage nach.

AES+F’s barock-futuristische Cyberspace-Allegorien, Vik Muniz‘ täuschende Fotografien und vermeintliche Fotodokumentationen, Reiner Riedlers Parallelweltdokus, Egill Sæbjörnssons Belebungsversuche toter Materie, Acci Babas Filmsimulationen zwischen Mensch, Affe und Ameise, Leila Tschopps Raumgemälde und die (be)trügerischen Weltverbesserungsideen der Yes Men verschmelzen mit Andreas Grahls, Kathy Schuberts, Kaspar Elias Kimmels und Max Weisels Objekten und Installationen zum Simulations-reigen, den eines eint: Die wahre Lust am Falschen. Nachahmung oder Vortäuschung, Nachbildung oder Verstellung, So-tun-als-ob, Schönfärberei, Fassade, Theater, Spiel, kurz die Simulation ist ein Vehikel, um uns in der harten Realität zurechtzufinden. Leicht akzeptieren wir den Schwund der Authentizität, ihren Ersatz durch die Simulation. Oft geht die Aussagekraft des Fakes gar über die des Originals, dessen Wert durch die Kopie gesteigert wird, hinaus. Täuschung und Illusion sind uns vertraut, wir genießen sie, möchten betrogen werden (nur die unerkannte Fälschung bleibt unbestaunt). Wir möchten uns an die Erinnerung, wie wir sie haben wollen, klammern können, Werte und Traditionen festschreiben, denen Aus- und Weglassen, Verfälschen, Unterdrücken, Umwidmen, Vereinnahmen, Deuten, Stückeln und Klittern nicht fremd sind. Welche Rolle spielt dabei die Kunst, die nicht erst seit Entstehen der Traumfabrik Hollywood mit der Simulation Hand in Hand geht?

Gewinner des Wettbewerbs der Fakultät Gestaltung der Bauhaus-Universität Weimar in Kooperation mit der ACC Galerie Weimar zur Ausstellung «Die Kunst der Simulation | The Art of Simulation»

Während der Anbahnung der Ausstellung Die Kunst der Simulation | The Art of Simulation lief vom
2. Mai bis 12. Juni 2017 im Rahmen des Fachkurses Walking The Dead-Line (Leiter: Florian Wehking und Linda Schumann) der Fakultät Gestaltung der Bauhaus-Universität Weimar ein Wettbewerb für Teilnehmer dieses Kurses. Eine Fachjury, bestehend aus Susanne Knorr (Kuratorin der Kunstmuseen der Stadt Erfurt), Robert Hagmeister (Kurator ACC Galerie Weimar) und Konstantin Bayer (Galerie Eigenheim, Weimar) wählte am 13. Juni 2017 folgende Studierende mit folgenden künstlerischen Beiträgen aus, die nun Teil der ACC-Ausstellung Die Kunst der Simulation | The Art of Simulation sind:

Andreas Grahl:

"ALSOB", Fotoinstallation, 2017.
Die Universen Käse, Wurst und Aufbackbrötchen
irgendwo in ihnen ganz klein
wird Leben sein wie das Unsere
Doch meistens bevor es sich ausbreiten kann zerstört
in ein größeres Universum gesaugt
und z. B. zum Bürger gebaut wird
Dann kommt die Stelle der Wasserbüffel
vollendend ihre schamvolle Verlustangst
Nehmen und genommen werden, oder lieber geben?
Von oben macht das keinen Unterschied.

Welten bauen und sie fotografieren, sie in das Grab der Ewigkeit verbannen. Die Behauptung der Wirklichkeit wird durch das analoge Foto bewiesen. Ich transformiere das Objekt zum Bild und zurück zum Objekt. Die Rahmen der Bilder werden nicht an die Normgrößen der zeitgenössischen Bildschirmformate erinnern. Somit wird der Betrachter in seinen gewohnten Bildformaten irritiert und es wird nicht klar sein, welche Realität verbrochene Strukturen übernimmt und sie in ein Universum des Scheins kotzt. Realität an vorderster Front, es verbeugt sich der Betrachter vor meinem Werk, im Hinterkopf das Höhlengleichnis, doch bereit, sich meiner Fiktion zu unterwerfen, da meine Romantik, meine Stimmung, die Realität mit all ihren Fluchtmechanismen übertrumpft und ein Werk schafft, das den Betrachter weich klopft wie eine Klöppelmatte in einer Autopresse die Keime.

 „Noise of Silence”, Installation, 2018.
Andreas Grahl über seine interaktive Klanginstallation (Stahl, Polyesterschnur, Kreissägeblatt, MDF-Sockel weiß, gezeichnete Bedienungsanleitung): „Das, was wir von der Realität mitbekommen, ist auf das beschränkt, was wir mittels unserer Sinne und mit dem Fokus unserer Wahrnehmung an Informationen erhalten. Wozu sind wir hier, sind die Dinge da, die uns umgeben?
Es war ein Montagmorgen. Mein durchzechter Leib schmerzte im matten Glanz der Baustelle. Und da stand er nun, der Neue, von der Zimmerei ‚ich nagel schneller als du’. Die Finger in den Ohren an denen ein Sägeblatt baumelte. Der Penner stand da einfach so da, mit geschlossen Augen und Stille, ja Stille überrollte mich.“

Kathy Schubert:

"Open World Behind Closed Doors", Installation, 2017.
In eine Gesellschaft, die offenbar die Zeit dazu findet, ihre Realität zu entfremden und sie in eine künstliche Umgebung auszulagern, gehören Simulationsspiele, die für die nötige Unterhaltung in langweiligen Stunden sorgen. Hier kann man ohne Selbstreflexion fremdbestimmt und frei von Konsequenzen handeln. Simulationsspiele mögen eine realitätsnahe Umgebung erzeugen, sind häufig aber fern vom Ursprungsgedanken — der Erschaffung einer emotional erfahrbaren Situation, die Betroffenheit und Empathie hervorruft. Mit der kontinuierlichen Verbesserung der technischen Möglichkeiten ging innerhalb dieses Genres offenbar ein intellektueller Abwärtstrend des Spielprinzips einher. Eine aus der Realität geholte Simulation (Chopping Wood With My Dad Simulator 1.0 für iPhone OS) wurde analog zurück in die Realität übersetzt.

„Trakt A I-VI“, Lackfarbe auf Papier/Transparentpapier, 2018.
Zu sehen sind sechs Zeichnungen/Entwürfe ohne erklärenden Text: „Alles soll so offen und nüchtern wie möglich bleiben – was dazu führt, dass die Namen der einzelnen Stationen zwingend notwendig sind, um eine grobe Richtung anzugeben – mehr möchte ich nicht vorweg nehmen. Die zweite Ebene (Transparentpapier) zeigt immer die Funktion der jeweiligen Station. Alle Stockwerke sind über einen Aufzug verbunden und stehen in regem Austausch. Ich habe das Leben auf die essentiellsten Abschnitte herunter gebrochen und stelle damit alles, was dazwischen passiert, in Frage, oder hinterfrage die Wichtung im Großen und Ganzen. Was kann man vom Leben erwarten? Was zählt? Die sechs Räume sind eine Abhandlung von der Geburt bis zum Tod, als eine sich selbst erhaltende Maschine, ein Kreislauf. Biomasse entsteht, wächst, reproduziert sich, wird abgebaut und als Grundlage für Nachfolgendes rückgeführt. … Manche sehen Kritik an Tierhaltung, andere eine Nazimaschinerie – oder nur beklemmende Räume mit dunkler Vorahnung. Das soll jeder für sich entscheiden.

Kaspar Elias Kimmel:

"127.200 Kilojoule", Objekt und Installation, 2017.
Der Mensch benötigt Energie in den vielfältigsten Formen. Bei jedem Atemzug tankt er frische Energie und verbraucht diese gleichzeitig bei dieser körperlichen und geistigen Tätigkeit. Im Laufe der Evolution erfand der Mensch vielfältige Möglichkeiten, benötigte Energie zu erschließen und diese zu speichern. 127.200 Kilojoule ist ein Schlachtkörper, geschnitten aus einem Volkswagen T4.

Max Weisel:

"Heilwasser", Installation, 2017.
Ein Fundstück von unschätzbarem Wert. Fragmente einer Urkunde von 1816. Heilwasserzulassung —so viel kann man erkennen. Dazu einige etikettierte Fläschchen, gefüllt mit Wasser. Das Etikett sowie die Handschrift deuten auf Goethe hin. Hat Goethe damals einen Heilbrunnen entdeckt, von dem bisher niemand weiß? Heilwasser. Man muss wohl daran glauben. Placebo? Wirkt Leitungswasser mit einer fingierten Urkunde, die besagt, dieses Wasser ist aus einem Heilbrunnen, heilend? Alle Menschen verspüren den Wunsch, an etwas glauben zu können.
Mit seiner Arbeit möchte Max Weisel Wasser in «Wein» verwandeln, in etwas wertvolles, das es ja ohnehin ist. Nur braucht es dafür eine Stütze — in diesem Fall ein paar Flaschen und eine erfundene Geschichte, welche in der fingierten Zulassung des Heil-wassers endet.

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