zum Inhalt
  • Galerie und Kulturzentrum in Weimar
  • So–Do 12–18, Fr–Sa 12–20
  • +49 3643 851261

Veranstaltungsreihen

Kunst, Spektakel & Revolution

Veranstaltungsreihe zum Verhältnis zwischen den Bewegungen der Avantgarde und den revolutionären Bewegungen
Eine Veranstaltungsreihe des ACC

Kunst, Spektakel und Revolution

Lesedauer etwa 3:01 Minuten

– eine Kooperation zwischen dem ACC Weimar und dem Bildungskollektiv BiKo e.V.

Blog zur Reihe: spektakel.blogsport.de

#10 – April bis Juli 2021:

Über Meutereibestrebungen in der Musik

Die Musik ist die abstrakteste der Künste, denn in ihrer entwickelten Form hat sie sich vom Text emanzipiert. Gleichzeitig ist sie höchstes geistiges Prinzip und die Lehre der Komposition ist eng mit begrifflicher Arbeit verbunden. Da Musik jenseits der Verstandessprache funktioniert, setzt sie am Gefühl an. Sie ist aber nicht Gefühlsunmittelbarkeit, sondern Prinzip der Konstruktion – sie kombiniert Erfahrungen des sinnlichen Gedächtnis und arrangiert sie neu. Am intensivsten lässt sich daher an der Musik nachvollziehen, was die Künste überhaupt bestimmt: die Suche nach einem guten Verhältnis von Vernunft und Sinnlichkeit. In der musikalischen Sphäre soll gelingen, was in den bestehenden Verhältnissen nicht möglich scheint, in denen Vernunft (Verstand) und Sinnlichkeit auseinanderfallen. Im Bezug auf das Politische hat sich diese Suche in Widersprüchen vollzogen – bekannt ist, dass sich auf deutschem Boden keine politische Revolution, wohl aber mehrere musikalische vollzogen haben. Jenseits einer Wirksamkeit im alltäglichen Leben muss aber auch der kunstfertigste Revolutionsversuch an seine Grenze stoßen und so zerfranst auch die Musik am Ende der bürgerlichen Gesellschaft. An diesen Fransen wird auch das Verhältnis der Musik zum Politischen wie der künstlerischen Gattungen zueinander neu verhandelt. Die Veranstaltungsreihe «Kunst, Spektakel & Revolution» will im Jahr 2021 einige Beispiele dieser Geschichte herausgreifen und diskutieren.

Kunst und Politik scheinen sich in der Warengesellschaft als unvereinbare Sphären gegenüber zu stehen. Mit der Durchsetzung der bürgerlichen Gesellschaft hat sich die Kunst von ihrer Einbettung in religiöse Rituale gelöst und sich als autonome Sphäre herausgebildet. Mit dieser Emanzipation gewann die Kunst an Möglichkeiten: Es wurden unzählige handwerkliche, gestalterische und kompositionelle Grenzen überschritten und Wege freigelegt. Als eine Sphäre, in der nahezu alles erlaubt ist, konnte die Kunst zudem als Nicht-Ort Wichtiges zu einer Kritik der bestehenden Verhältnisse beitragen, da sie eben das zeigen darf was unsere Gesellschaft nicht ist. Auf der anderen Seite wurde die Kunst mit ihrer Loslösung vom Ritus wirkungslos: Sie wurde vom Alltag der Menschen getrennt. Dadurch ergibt sich in der bürgerlichen Gesellschaft eine seltsame Arbeitsteilung: Während die Kunst alles darf, aber nicht ins Geschehen eingreifen kann, unterliegt die Politik den Bewegungsgesetzen der Waren-Ökonomie und kann in unterschiedlicher Art und Weise auf jedes einzelne Individuum zugreifen.

Die Avantgarden der Kunst waren diejenigen Bewegungen, die dieses Verhältnis aufheben und die Kunst auf einer höheren Ebene in den Alltag zurückführen wollten. Die Möglichkeit, dass die Sphäre der Kunst in der bürgerlichen Gesellschaft über sich selbst reflektieren kann, nutzten die Avantgardisten um einen direkten Angriff gegen sich selbst, gegen die Kunst, ihre Institutionen und den Werkcharakter zu starten. Dabei nahmen sie oft Bezug auf die revolutionären Bewegungen des 20. Jahrhunderts, die ebenfalls ein Interesse daran hatten, die unmenschliche Verfasstheit der Welt zu bekämpfen und eine lebenswerte Praxis zu ermöglichen. Die Begegnung der Surrealisten mit den französischen Kommunisten, der Zusammenhang zwischen Kunstkritik und radikaler Gesellschaftskritik in der Kritischen Theorie oder die Teilnahme der Situationisten an den Aufständen vom Mai '68 - immer wieder gab es beidseitigen Kontakt zwischen RevolutionärInnen und KünstlerInnen.

Ein solch explosives Verhältnis ist in der Postmoderne, also der Moderne, die sich selbst nicht überwunden hat, kaum noch anzutreffen und das Verhältnis zwischen Kunst und Politik ist zu einem Dilemma in höherem Ausmaß geworden. Während die einen sich in ständiger Selbstreflexion, abgewandelter Wiederholung der Moderne, aussagelosen Provokationen und Pseudo-Diskursen üben und sich ständig gegen eine angebliche Vereinnahmung wehren wollen, halten es die anderen nicht für notwendig sich mit Ästhetik auseinanderzusetzen, sehen in der Kunst höchstens ein Mittel zum Zweck und erkennen nicht, dass Ästhetik nicht nur etwas mit gutem Geschmack, sondern auch mit einer besseren Einrichtung der Welt zu tun haben könnte.

Mit diesem Problem soll in der Veranstaltungsreihe "Die Kunst, das Spektakel und die Revolution" eine theoretische Auseinandersetzung gesucht werden. Was sind die Erfahrungen der Avantgarden und was können wir heute daraus lernen? Warum sind die Avantgarden im 21. Jahrhundert nahezu vollständig verschwunden? Welche Zusammenhänge zwischen Kunst bzw. Kunstkritik und radikaler Gesellschaftskritik gab und gibt es? An welcher Stelle sind in der Geschichte Zusammenhänge zwischen Avantgarde und revolutionärer Bewegung zu finden? Wo gibt es sie heute? Diese Fragen sollen in 8 Abendveranstaltungen diskutiert werden. Dabei sollen auch Menschen einen Einstieg finden können, die sich bisher noch nicht mit diesen Themen auseinandergesetzt haben. Ein Zusammentreffen von Teilen der politischen Bewegung und dem Bereich der künstlerischen Praxis ist dabei sehr erwünscht.

Jingle:

Weitere Bilder

Diese Seite teilen